Fruchtbarkeit, Zyklus, Eisprung und Empfängnisbereitschaft

Anders als bei Frauen oder Hündinnen, haben Häsinnen keinen festen Rhythmus. Zwar besteht ein gewisser Zyklus, der schlecht erforscht ist, dieser regelt jedoch nicht die Empfängnisbereitschaft. Kaninchen sind nicht nur wenige Tage in jedem Zyklus fruchtbar, denn der Eisprung wird bei ihnen durch äußere Reize wie z.B. dem Aufreiten eines anderen Kaninchens oder intensives Streicheln, ausgelöst. Dadurch ist das Kaninchen extrem vermehrungsfreudig und hormonell stark auf die Fortpflanzung fixiert. Ebenfalls stark beeinflusst wird der Zyklus und die Empfängnisbereitschaft durch die Jahreszeiten.

kaninchen-verhütungVerhütungsmethoden

Damit es zu keinem Nachwuchs kommt, werden Kaninchen in Gefangenschaft meist kastriert. Hierbei gibt es verschiedene Verfahren. Kaninchen aus dem Tierheim und von verantwortungsvollen Haltern werden meist bereits kastriert vermittelt.
Auch die Haltung von mehreren Rammlern erfordert dessen Kastration, da sie sich sonst schwer verletzen können. Beim Weibchen sind Kastrationen vor allem aus medizinischen Gründen notwendig.

Die Frühkastration beim Rammler

Wenn ein Kaninchen-Rammler vor der Geschlechtsreife kastriert wird, dann spricht man von einer Frühkastration. Je nach Größe der Kaninchen muss diese i.d.R. mit etwa 11-12 Wochen, spätestens aber mit 16 Wochen (sehr große Rassen) durchgeführt werden. Wobei auch große Rassen schon mit 11-12 Wochen frühkastriert werden könnten. Beim Kaninchen wird meist der Rammler kastriert um Nachwuchs zu vermeiden, da es bei ihm ein kleinerer Eingriff ist, als bei den Weibchen.
Der frühe Eingriff verhindert, dass Sexualhormone produziert werden, dadurch wird das Kaninchen nie ganz „erwachsen“, Erfahrungen zeigen jedoch, dass frühkastrierte Rammler gegenüber geschlechtsreif kastrierten Männchen keine Nachteile in der Gruppe und in der Rangordnung haben und besser sozialisiert sind, da sie nicht getrennt werden müssen, um Nachwuchs zu verhindern. Dies ist der große Vorteil der Frühkastration. Wird ein Rammler kastriert, bevor er geschlechtsreif ist, so kann er direkt zurück in die alte Gruppe und dort weiter aufwachsen. Später kastrierte Rammler sind nach der Kastration noch bis zu vier Wochen zeugungsfähig und müssen diese Zeit separiert werden um Nachwuchs zu vermeiden.

Die Rammler-Kastration nach der Geschlechtsreife

Eine Kastration nach der Geschlechtsreife kann bis ins hohe Alter durchgeführt werden solange das betroffene Kaninchen vital und gesund ist. Da das Geschlechtsverhalten jedoch Einfluss auf die Stellung in der Gruppe und den ganzen Charakter des Kaninchens hat, kann es gerade bei älteren, dominanten Kaninchen, die in einer Gruppe leben, nach der Kastration zu einem Rangordnungsverlust kommen, der ihnen gerade bei Gruppenhaltung oft seelisch stark zusetzt. Kaninchen sind sehr stark dafür ausgelegt, sich fortzupflanzen, deshalb zieht der plötzliche Verlust der betroffenen Hormone oft eine Charakter-Veränderung mit sich. Da in Gefangenschaft jedoch keine natürliche Auslese (durch Fressfeinde und Krankheit) statt findet, bleibt uns nichts anderes übrig, als sie zu kastrieren, denn eine Einzelhaltung oder dauerhafter Nachwuchs wäre nicht tiergerecht.

Kaninchen sind nach der Kastration noch eine Weile zeugungsfähig!

Die Trennung des Rammlers von geschlechtsreifen Weibchen nach der Kastration muss dringend eingehalten werden, da noch ein Rest Spermien im Samenleiter vorhanden ist, der noch abgegeben werden kann. Erst wenn diese Rest-Spermien abgestorben sind, ist das Kaninchen nicht mehr zeugungsfähig. Wie lange die Rest-Spermien noch lebensfähig sind, ist wissenschaftlich nicht erforscht, beim Meerschweinchen gibt es eine Studie, die 7-70 Tage herausgefunden hat, ähnliches gilt wohl auch für Kaninchen. Das würde bedeuten, dass man (um jegliche Restgefahr auszuschließen) 10 Wochen Quarantäne einhalten müsste. In der Praxis hat sich jedoch herausgestellt, dass ein kürzerer Zeitraum ausreicht. Nach drei Wochen sind keine Fälle bekannt, bei denen es zu einer Trächtigkeit kam. Die ersten drei Wochen sind gefährlicher, in dieser Zeit kann ein „goldener Schuss“ mit den restlichen Spermien abgesetzt werden.
Einzige Ausnahme: Wurde der Rammler kastriert bevor er geschlechtsreif wurde (Frühkastration), so sind noch keine Spermien im Samenleiter vorhanden, d.h. der Kastrat kann direkt nach der Kastration wieder zu Weibchen gelassen werden.

kaninchen-kastration
Kastration oder Sterilisation?

Oft wird fälschlich angenommen, dass Weibchen sterilisiert, und Männchen kastriert werden. Der Begriff hat jedoch nichts mit dem Geschlecht zu tun. Kaninchen werden grundsätzlich kastriert, egal welchem Geschlecht sie angehören.

Kastration 
Die Kastration macht unfruchtbar und unterbindet die Hormonproduktion (Sexualverhalten, Hormoneinflüsse, Hitze, Urinmarkieren etc.).
Bei einer Kastration werden die Keimdrüsen entfernt (beim Männchen die Hoden, beim Weibchen die Eierstocke). Bei einer erweiterten Kastration (Ovariohysterektomie) zusätzlich auch die Gebärmutter.

Sterilisation
Die Sterilisation macht nur unfruchtbar, die Hormone werden weiter produziert.
Bei einer Sterilisation wird verhindert, dass Samen oder Eizellen weiter transportiert werden indem man Samen- oder Eileiter durchtrennt. Beim Kaninchen wird dieser Eingriff nicht empfohlen, da der Samenleiter in vielen Fällen wieder zusammen wächst.

Die Weibchen-Kastration

kaninchenbody wiese operation

Bei extrem guten Haltungsbedingungen (ab dauerhaft etwa 100 Quadratmetern Platz, auch nachts) ist es möglich, eine kastrierte Weibchengruppe mit einem unkastrierten Rammler zu halten. Bei engeren Haltungsformen müssen grundsätzlich alle Rammler kastriert werden, da sonst die kastrierten Weibchen zu sehr bedrängt werden. Weibchen, die durch Freilauf Kontakt zu unkastrierten Rammlern oder Wildkaninchen haben könnten, sollten ebenfalls kastriert werden. Gleiches gilt für medizinisch notwendige Weibchen-Kastrationen auf Grund von Erkrankungen. Über die vorbeugenden Kastration von Kaninchen-Weibchen streiten sich hingegen die Kaninchenliebhaber… 

Pro vorbeugende Weibchen-Kastration

  • Kaninchen neigen zu Gebärmutterkrebs und können auch andere Gebärmuttererkrankungen bekommen (jedoch nicht mit einer Wahrscheinlichkeit von 80%, wie oft dargestellt). Gerade wenn man einen solchen Krebs schon erlebt hat, möchte man ihm gerne vorbeugen.
  • Gebärmuttererkrankungen werden oft zu spät oder gar nicht diagnostiziert, so dass Kaninchen daran unnötig leiden und sterben. Kaum ein Halter macht Gebärmutterkrebs-Vorbeuge-Untersuchungen. Es ist schmerzlich, wenn man als Halter zu spät eine solche Erkrankung feststellt und nicht mehr helfen kann.
  • Bei Entdeckung des Krebses kann er bereits metastasiert sein, d.h. das Kaninchen ist todkrank und kann nur noch rechtzeitig eingeschläfert werden, bevor es grausam erstickt.
  • Kaninchen die bereits krank sind (z.B. andere Erkrankungen) sind manchmal gar nicht mehr narkosefähig, so dass eine Behandlung, wenn die Gebärmuttererkrankung auftritt, oftmals schwierig/unmöglich ist.
  • Kaninchen brauchen ihre Gebärmutter in der Liebhaber-Haltung nicht für die Fortpflanzung.
  • Manche Halter sprechen sogar davon, dass die Kaninchen durch die Kastration verträglicher mit Artgenossen werden (dies ist jedoch nicht immer der Fall: je nach Ursache der Unverträglichkeit).
  • Im Falle von Gebärmutterkrebs, also als Behandlung von einer Erkrankung, ist die Kastration zwingend nötig und auch nicht umstritten.
  • In Innenhaltung treten Gebärmuttererkrankungen erfahrungsgemäß häufiger auf als in Außenhaltung.
  • Kaninchen, die Kontakt zu anderen (Wild)kaninchen haben könnten, sollten kastriert werden um Nachwuchs zu vermeiden. Beispielweise im Garten freilaufende Kaninchen in Wildkaninchen-Gebieten.
  • Die Kastration von Weibchen gehört in einigen Tierkliniken und bei einigen kaninchenkundigen Tierärzten und Tierärztinnen bereits zur Routine, dadurch sinkt das Risiko für Komplikationen extrem. Auch erhöhte Narkose-Standards und auf Heimtiere spezialisierte Tierärzte tragen dazu bei.
  • Kaninchen können in Gefangenschaft ihren Sexualtrieb nicht richtig ausleben und leiden dadurch oft unter einem übersteigerten Sexualtrieb.
  • In Wohnungshaltung wird durch die Kastration unerwünschtes Verhalten (Urinspritzen, Markieren, ….) verhindert oder behoben. Teils ist keine freie Wohnungshaltung unkastrierter Häsinnen möglich, da sie z.B. mit Urin markieren. Die Kastration ermöglicht eine freie Haltungsform und somit mehr Lebensqualität.
  • Hormonelle Inbalanzen (z.B. Scheinträchtigkeiten, Hitzigkeiten…) können Unruhe in die Gruppe bringen und bei extremer Aktivität auch die Partnertiere stark belasten. Gerade bei Großgruppen sind dadurch oft Unverträglichkeiten zu beobachten. Je nach Platzangebot können die Artgenossen sehr darunter leiden.
  • Manche Häsinnen leiden unter ihrem sehr extremen hormonellen Ungleichgewicht.
  • Sehr viele Tierärzte raten auf Grund ihrer Erfahrung zur vorsorglichen Kastration.
  • Ultraschalluntersuchungen und Röntgenaufnahmen können eine Gebärmuttererkrankung nicht zu 100% anzeigen, dadurch kann falsche Sicherheit vermittelt werden.

Wer sich für die Kastration eines Kaninchen-Weibchens entscheidet, sollte keinesfalls diese „irgendwo durchführen lassen“! Es ist entscheidend, auf ein sehr gutes Narkosemanagement bei einer kaninchenkundigen Tierärztin oder einem kaninchenkundigen Tierarzt zu achten, da sonst das Narkoserisiko sehr hoch sein kann!

Contra vorbeugende Weibchen-Kastration

  • Nur weil eine Erkrankung häufig ist, muss man nicht gleich das gesamte Organ vorsorglich entfernen (z.B. die Brust bei Frauen, da Brustkrebs häufig vorkommt oder die Zähne beim Kaninchen, weil Zahnerkrankungen gehäuft auftreten).
  • Viele Gebärmutterveränderungen sind gutartig (Zysten) und nur durch die Masse irgendwann beeinträchtigend (bestimmte Formen der Endometrialen Hyperplasie).
  • Eine vorsorgliche Kastration verstößt gegen das Tierschutzgesetz, wenn sie nicht zur Verhinderung der Fortpflanzung dient und keine gesundheitlichen Probleme dafür sprechen (Krankheit als Indikation für Kastration). Die Gesetzesgrundlage ist § 6 TschG „Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres.“. Die Gebärmutter ist ein Organ, die dabei entnommen wird.
  • Die Weibchen-Kastration ist ein recht großer Eingriff mit Eröffnung der Bauchdecke, zudem besteht das Narkoserisiko. Es ist tragisch, wenn ein ein- oder zweijähriges Kaninchen an einer Operation stirbt, die nicht nötig gewesen wäre – vielleicht wäre es nie an Krebs erkrankt und selbst wenn, hätte es davor sicher noch ein paar Jahre länger gelebt. Je nach Spezialisierung des Tierarztes (Heimtier-Tierarzt) und Narkosetechnik, sowie Häufigkeit des Eingriffes, ist das Narkoserisiko sehr hoch oder extrem gering!
  • Die Kastration des Weibchens hat neben dem Narkoserisko und dem postoperativen Risiko zu versterben, auch Langezeitfolgen, die schlecht erforscht sind. Dazu gehört Übergewicht und Bewegungsunlust und dadurch viele andere Erkrankungen, die diese begünstigen. (im englischsprachigen Raum als „fat lazy rabbit syndrome“ =„dickes-faule-Kaninchen-Syndrom“ bekannt). So leiden kastrierte, weibliche Kaninchen durch das erhöhte Gewicht deutlich häufiger unter Harngries und Harnsteinen, Arthrose und anderen Gelenkserkrankungen und Verdauungsstörungen wie z.B. Verstopfungen oder Aufgasungen (Verdrängung der Organe durch Fett). Durch Fütterung und Haltung kann dieser Faktor minimiert werden. Durch die Operationswunde können Verklebungen entstehen, die wiederum Verdauungsstörungen, Schmerzen und andere Symptome hervorrufen können. Das reduzierte Markierverhalten begünstigt zudem ebenfalls Harngries.
  • Der Sexualtrieb ist eine recht natürliche Sache, die zum Kaninchen dazu gehört. Mit der Kastration beraubt man es ein Stück weit seiner natürlichen Triebe.
  • Ist es vertretbar, ein Kaninchen zu operieren um es an die menschlichen Bedürfnisse anzupassen (z.B. Verhindern von Urin spritzen)?
  • Die meisten Krebsformen der Gebärmutter entstehen erst im höheren Alter (ab 4-5 Jahren), auch wenn es Ausnahmen gibt.
  • Vorbeugung ist möglich (Kenntnis über die Anzeichen von Gebärmuttererkrankungen, regelmäßiges Abtasten, Ultraschall/Röntgenbild bei Verdacht). Anzeichen: Aggressivität, Unruhe, Schmerzen beim Abtasten, häufige Scheinschwangerschaften (bis zu 2 oder 3x im Jahr ist ganz normal, ist das Weibchen dauerhaft scheinwanger, ist es hingegen auffällig), Scheidenausfluss, allgemeine Krankheitszeichen wie Mattigkeit, geringe Nahrungsaufnahme, Abmagerung bei einem recht dicken Bauch oder sogar einer Gewichtszunahme. Bitte informieren Sie sich!
  • Im Krankheitsfall kann man Kaninchen immer noch kastrieren. Das Narkoserisiko älterer Kaninchen ist entgegen der weitläufigen Meinung nicht erhöht, sondern eher geringer. Erhöht ist es lediglich, wenn das Kaninchen andere Erkrankungen hat.
  • Gebärmutterkrebs-Operationen sind bei alten Kaninchen oft nicht nötig, da sie an anderen Erkrankungen sterben, bevor der Krebs sich schmerzhaft oder lebensgefährlich auswirkt, bzw. im Bauchraum Organe verdrängt.
  • Eine vorbeugende Kastration bringt ein Narkoserisiko (Brodbelt et al 2008):
    Ein Kaninchen von 72 verstirbt während oder nach der Narkose (auch schwer kranke Tiere mit eingerechnet)
    Eines von 1:137 Kaninchen verstirbt bei gesunden Kaninchen (z.B. Kastrationen)
    Dieses Naroserisiko ist besonders hoch, wenn der Tierarzt nicht kaninchenkundig ist.
  • Häufig werden Preise verglichen und eine möglichst günstige Praxis gewählt, statt eine mit einer möglichst sicheren Narkose. Dadurch steigt das Narkoserisiko immens. Eine vorbeugende Kastration sollte nur in einer spezialisierten Praxis mit sehr guter Narkose durchgeführt werden.

Das Kaninchen-Weibchen „einfach nicht zu kastrieren“ ist keine Lösung, wer sich gegen die Kastration entscheidet, sollte das Kaninchen engmaschig (min. 2x jährlich) bei einer kaninchenkundigen Tierärztin oder bei einem kaninchenkundigen Tierarzt abtasten und ggf. Ultraschall-Untersuchungen unterziehen lassen! Bei einem Befund muss es kastriert werden, die Vorsorge-Untersuchungen sind ggf. aufwändig und mit Kosten verbunden.

Kastration ist nicht Kastration!

Beim Kaninchen sollten nach aktuellen wissenschaftlichen Stand grundsätzlich neben den Eierstöcken (Ovarektomie) auch die Gebärmutter entfernt werden (Ovariohysterektomie). Eine Ausnahme können sehr junge Kaninchen zwischen sechs und acht Monaten mit gesunder Gebärmutter sein. Warum ist das so? Die Gebärmutter kann auch nach der Kastration noch erkranken, so dass das Ziel der Kastration verfehlt wird.

ACHTUNG: viele nicht-kaninchenkundige Tierärzte entfernen nur die Eierstöcke, das ist viel weniger aufwändig und deshalb günstiger. Geht bitte immer zur Weibchenkastration zum kaninchenkundigen Tierarzt. Dort ist das Narkosemanagement besser und dadurch i.d.R. das Narkoserisiko sehr viel geringer. Der scheinbar „günstige Preis“ ist meistens auf ein schlechteres Narkosemanagement und das Belassen der Gebärmutter zurück zu führen. Unterm Strich zahlt ihr mehr für die viel geringere Leistung und im schlimmsten Fall bezahlt euer Kaninchen mit dem Leben! Kastration ist keine Pauschalleistung, die Unterschiede bei der Durchführung und beim Narkosemanagement sind gewaltig!

Alternativen zur Weibchenkastration

Kaninchen können mit einem Hormonchip (Deslorelin (Handelsname: Suprelorin) chemisch kastriert werden. Dadurch wird das Narkoserisiko umgangen. Wichtig ist, dass man nur Tiere, die keine Gebärmutterveränderungen haben, chemisch kastrieren sollte! Vorher sollte eine Ultraschalluntersuchung erfolgen. Auf ein Kaninchenleben hochgerechnet, ist die chemische Kastration etwas teurer als eine klassische Kastration. Dafür kann sie jeder Zeit aufgehoben werden. So kann man z.B. auch bei Verhaltensproblemen ausprobieren, ob diese hormonell bedingt sind. Wissenschaftliche Quellen für euren Tierarzt (einige heimtierkundige Tierärzte setzen die chemische Kastration bereits sehr erfolgreich ein).

– Geyer, A., Poth, T., Otzdorff, C., Daub, L., Reese, S., Braun, J., & Walter, B. (2016). Histopathologic examination of the genital tract in rabbits treated once or twice with a slow-release deslorelin implant for reversible suppression of ovarian function. Theriogenology86(9), 2281-2289.
– Phungviwatnikul, T., Tisyangkul, V., Pagdepanichkit, S., & Sirivaidyapong, S. (2011): Effect of GnRH-agonist deslorelin subcutaneously implantation on fertility in mixed breed female rabbits at the age of 2.5 months and 5 months. The Thai Journal of Veterinary Medicine41, 179.

Wie viele Kaninchen bekommen tatsächlich Gebärmutterkrebs?

Leider werden immer noch Zahlen verbreitet, die von einer wahnsinnig hohen Gebärmutter-Krebsrate unter Hauskaninchen sprechen. Oft ist von 80% die Rede. Solch hohe Werte wurden allerdings in Studien bisher nur in bestimmten Zuchtlinien festgestellt. Dazu muss man wissen, dass Gebärmutterkrebs je nach Linie unterschiedlich häufig vorkommt. Alle anderen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass 0-20% aller Weibchen von Gebärmutterkrebs betroffen sind. Diese Ergebnisse decken sich mit unseren Erfahrungen, dass Krebserkrankungen der Gebärmutter regelmäßig, aber nicht bei 80% der Tiere auftreten. Das Narkoserisiko bzw. das Risiko, am oder nach dem Eingriff durch eine Kastration zu sterben, ist (je nach Narkosetechnik und Tierarzt-Spezialisierung) teilweise leider noch ähnlich hoch, wie das Gebärmutterkrebsrisiko. Nur bei hoch spezialisierten Kaninchentierärzten mit sehr sehr guter Narkosetechnik (Spezialisten auf unserer Liste), ist es sehr viel geringer. Eine Kastration sollte immer nur mit einem sehr guten Narkosemanagment vorgenommen werden, ist so eine Praxis nicht verfügbar, sind andere Wege evtl. sinnvoller.

Risiken einer Kastration

Die Folgen der (weiblichen) Kastration sind beim Kaninchen bisher leider nicht umfassend untersucht worden. Während man eine Weile dazu tendierte, Haustiere grundsätzlich zu kastrieren, wendet man sich mittlerweile immer mehr wieder von diesem Trend ab. Nicht nur beim Kaninchen, sondern auch bei anderen Haustieren.

  1. Narkoserisiko (siehe hier) (Brodbelt et al 2008):
    Ein Kaninchen von 72 verstirbt während oder nach der Narkose (auch schwer kranke Tiere mit eingerechnet)
    Eines von 1:137 Kaninchen verstirbt bei gesunden Kaninchen (z.B. Kastrationen)
  2. Wundheilungsstörungen, Komplikationen nach der Operation, Verwachsungen an der Operationsnarbe, Narbenbruch…
  3. Gewichtszunahme nach der Kastration (und dadurch zahlreiche Folgeerkrankungen wie z.B. Arthrose, Blasengrieß…) (häufig)
  4. Inkontinenz, die Tiere können nicht mehr kontrolliert den Urin abgeben (in Folge oft auch Blasenentzündungen und dadurch Steinbildung) (sehr selten)
  5. Osteoporose, brüchige Knochen/Zähne

Unsere Empfehlung:

Jeder Halter sollte sich umfassend mit diesem Thema befassen, um sich ein eigenes Bild zu machen. Zudem ist es sehr wichtig, die Anzeichen für Gebärmutter-Erkrankungen zu kennen und wenn diese auftreten, schnell zu reagieren. Je nach Haltungsform sind die Kaninchen nicht immer unter intensiver Beobachtung sondern werden nur gefüttert und versorgt, so dass Erkrankungen unerkannt bleiben können. Für diese Tiere raten wir über eine vorbeugenden Weibchenkastration nachzudenken. Ebenfalls, wenn ein Tier durch häufige Hitzigkeit oder Scheinträchtigkeit stark gestresst wird. Sollten Anzeichen auftreten, die für eine Gebärmuttererkrankung sprechen, empfehlen wir das Kaninchen medizinisch untersuchen zu lassen und ggf. zu kastrieren. Hat man einen kaninchenkundigen Tierarzt, der über ein sehr gutes Narkosemanagement verfügt und die Weibchenkastration routinemäßig durchführt, an der Hand, ist eine vorbeugende Kastration möglich.

Anzeichen für Gebärmutter-Erkrankungen: Aggressivität, Unruhe, Schmerzen beim Abtasten, häufige Scheinschwangerschaften (bis zu 2 oder 3x im Jahr ist ganz normal, ist das Weibchen dauerhaft scheinschwanger, ist es hingegen auffällig), Scheidenausfluss, allgemeine Krankheitszeichen wie Mattigkeit, geringe Nahrungsaufnahme, Abmagerung bei einem recht dicken Bauch oder sogar einer Gewichtszunahme. Auch Blutausfluss oder Schleimausfluss aus der Scheide können Hinweise sein. Mehr Infos

Vorbeugen

Egal welchen Weg man für seine Kaninchen wählt – es sollte auf jeden Fall bei weiblichen Kaninchen das Risiko für Gebärmuttererkrankungen und die Anzeichen bekannt sein sowie eine Form der Vorbeugung gewählt werden:

  1.  Vorbeugende Kastration bei einem heimtierkundigen Tierarzt mit guter Narkosetechnik (siehe hier). Vor allem bei Tieren ohne engmaschige Kontrolle, unerfahrenen Haltern oder Haltern, die Vorsorge-Maßnahmen scheuen. Ab ca. dem sechsen Lebensmonat möglich.
  2. Hormon-Chip: Chippen sehr junger Kaninchen mit dem Suprelorin-Chip (bevor sie hormonell aktiv werden bzw. wenn die Gebärmutter keine Veränderungen aufweist – im Ultraschall vor dem Chippen kontrollieren!). Der Chip muss regelmäßig erneuert werden und ist über die Jahre gerechnet teurer und aufwändiger als die Kastration.
  3. Zweimal jährlich abtasten bei der Impfung (heimtierkundiger Tierarzt!). Ist die Gebärmutter tastbar > Ultraschall (was für eine Gebärmutter-Erkrankung liegt vor?) und ggf. Kastration. Sie sollten die Anzeichen für Gebärmutter-Erkrankungen kennen und ein Auge darauf haben! Vorbeugende jährliche/halbjährliche Ultraschalluntersuchungen sind ratsam.
kastration wunde

Tipps zur Pflege nach der Kastration
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