Das Thymom und das Lymphom

Thymom ist das medizinische Fachwort für einen Tumor/Wucherung des Thymus. Der Thymus ist ein Teil des lymphatischen Systems und direkt neben dem Herzen, somit gehört er auch zum Immunsystem. Die meisten Thymome sind gutartige Wucherungen, nur ein Viertel sind tatsächlich bösartig (Thymuskarzinom oder malignes Thymom). Das Thymom kommt beim Kaninchen sehr viel häufiger als bei anderen Säugetieren vor. Meist sind Kaninchen im höheren Alter (ab fünf Jahren) betroffen. Kastrierte männliche und weibliche Kaninchen sind häufiger betroffen als unkastrierte.

Das Lymphom ist ein Ausdruck für eine  Zubildung an den Lymphknoten (Lymphome), diese sind Teil des Immunsystems. Auch diese sind meistens gutartig und verursachen lediglich durch ihre Größe medizinische Symptome. Zudem können die Lymphknoten auch durch Infektionen stark vergrößert sein.

Symptomehervor quillende augen kaninchen

Das erste Symptom ist meist ein Vorschieben der Nickhautdrüse, dazu kommt es besonders wenn das Kaninchen mit dem Kopf nach unten geht, z.B. wenn es frisst oder bei Stress. In der Regel tritt die Nickhaut auch nur zeitweise ins Auge und schiebt sich dann wieder zurück. Die Augen können auch herausgedrückt werden, also etwas hervorstehen.
Oft magern die Kaninchen schleichend ab, bewegen sich weniger oder sind nicht mehr so fit wie früher.
Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu Atemnot kommen, da das Thymom auf das Herz drückt und die physiologische Funktion behindern kann. Die Symptome sind dann wie bei einer Herzerkrankung. Das Kaninchen zeigt starke Flanken- und Nasenatmung, die Herztöne sind bei Abhören gedämpft. Teils kann es in Folge auch zu Wasseransammlungen in der Lunge und im Bauchraum kommen.
Selten kommt es auch zu Hauterkrankungen, dabei zeigen sich Fellveränderungen, relativ häufig Schuppen, seltener Entzündungen der Haut. Es ist häufig symmetrischer Haarausfall am Kopf und am Bauch zu beobachten.
Beim Lymphom kann dieses auch in andere Körperregionen auftreten (jeweils an den Lymphknoten) und so auch bei sehr starker Ausprägung wenig oder keine Atemnot verursachen.

Diagnose

Die Wucherung kann meist bereits im Röntgenbild gesehen werden. Mittels eines Herzultraschalls werden Erkrankungen des Herzens ausgeschlossen, eine Biopsie (Gewebeprobe) ermöglicht eine exakte Diagnose und die Abgrenzung von Lungentumoren und Abszessen, wird aber nicht zwangsläufig durchgeführt. Beim Lymphom kann im Blutbild ein Anstieg der Lymphozyten auftreten, durch einen Blutausstrich kann dieser näher untersucht werden. Eine Pseudolinksverschiebung kann ein Hinweis auf Lungenabszesse sein.

Behandlung

Medikamentöse Therapie:

  • In der Regel wird ein ACE-Hemmer (z.B. Prilium oder Benefortin) verschrieben um den Blutdruck zu senken, sollte es zu Wasseransammlungen kommen, ist ein entwässerndes Mittel (z.B. Dimazon) sinnvoll.
  • Um das Tumorwachstum zu hemmen und im besten Fall rückzubilden, hat sich ein gering dosiertes Cortison (z.B. Prednisolon, 1mg/kg in den Mund) bewährt, besonders wenn der Tumor bereits größer ist oder Atemnot auftritt. Nebenwirkungen: Das Kaninchen gilt als steroidsensibel! Nur bei wenigen Erkrankungen ist Cortison-Gabe geeignet. Folgen: Immunschwäche, diese führt teils z.B. zu dem Ausbruch einer Kokzidiose, E. cuniculi (EC), Milben oder Kaninchenschnupfen. Es sind starke Leberschäden bzw. Leberversagen, Magen-Darm-Ulzera und Wundheilungsstörungen möglich. Der EC Status muss vorher getestet und EC positive Kaninchen zusätzlich mit Fenbendazol (Panacur) versorgt werden. Cortison gilt als Mittel der Wahl und erreicht gegenüber der Bestrahlung und chirurgischen Behandlung die besten Erfolge.
  • Bei Atembeschwerden kann auch Theophyllin verwendet werden, das ähnlich gut wie das Cortison hilft, aber weniger Nebenwirkungen hat.
  • Zusätzlich sind obig genannte Tumortherapien, z.B. die Heeltherapie oder Misteltherapie verbreitet. Diese wird auf das Tier und den Tumor abgestimmt.
  • Keinesfalls dürfen Mittel, die das Immunsystem aufbauen oder verstärken, verabreicht werden.

Chirurgische Behandlung beim Thymom:

  • Die chirurigische Entfernung des Thymom macht wenig Sinn, da über 70% der Kaninchen kurz nach oder während der Operation versterben (hohes Narkosrisiko!). Bei den überlebenden Kaninchen wächst das Thymom in vielen Fällen innerhalb weniger Monate nach.

Bestrahlung beim gutartigen Thymom:

  • Bei gutartigen Thymomen kann eine Bestrahlung sinnvoll sein, die das Thymom für eine gewisse Zeit oder dauerhaft verkleinert.
  • In Studien zeigte sich, dass etwas 15% der Kaninchen während der Bestrahlung in den ersten zwei Wochen verstarben. Die anderen Kaninchen hatten eine durchschnittliche Überlebenszeit von über zwei Jahren (bei einem durchschnittlichen Alter von knapp 7 Jahren bei Bestrahlungsbeginn!).
  • Mögl. Nebenwirkungen: Lungenentzündung, Herzversagen, örtlicher Haarausfall
  • Nachteile: Die Strahlentherapie ist noch nicht überall verfügbar und es gibt bisher eher geringe Fallzahlen. Sie macht vor allem beim früh diagnostizierten, gutartigen Thymom Sinn und ist mit höheren Kosten verbunden.

Einschläferung?

  • Sollte der Zustand sich trotzdem verschlechtern und das Kaninchen unter (dauerhafter/nicht behandelbarer) starker Atemnot leiden, sollte es erlöst werden.

Quellen/Weiterführend
Andres et al. (2012): The use of megavoltage radiation therapy in the treatment of thymomas in rabbits: 19 cases. Vet Comp Oncol 2012; 10: 82-94
Ewringmann, Anja (2016): Leitsymptome beim Kaninchen: Diagnostischer Leitfaden und Therapie. Georg Thieme Verlag

Bertram C., et al. (2021): Neoplasia and tumor-like lesions in pet rab- bits (Oryctolagus cuniculus): a retrospective analysis of cases between 1995 and 2019. Vet Pathol 2021;58:901–911.
Gabrisch, Karl (2015): Krankheiten der Heimtiere, 8. vollständig überarbeitete Auflage, Schlütersche
Künzel, Frank (2013):  Thymom – ein unterdiagnostiziertes klinisches Problem beim Kaninchen? Veterinär-Spiegel 23.01: 22-25.
Morrisey, J. K., & McEntee, M. (2005): [Englisch] Therapeutic Options for Thymoma in the Rabbits
Praag, E.: [Englisch] Sebaceous adenitis associated to thymoma in rabbits