Die größten Mythen der Kaninchen-Ernährung
„Es ist leichter ein Atom zu zertrümmern als ein Vorurteil.“
Albert Einstein
1. „Kaninchen sollten täglich 100g Gemüse pro Kilogramm Körpergewicht erhalten“
(100g-Regel)
Diese Regel wurde vor vielen Jahren im Internet als Faustregel für die benötigte Menge Frischfutter festgelegt. Dabei ging es nicht um eine Idealmenge sondern um den für das Überleben notwendigen Bedarf. In einer Zeit, in der die Menschen das Heu und Trockenfutter durch etwas Gemüse ergänzten, half die Regel ihnen zu realisieren, dass eine gewisse Menge Frischfutter für Kaninchen wichtig ist.
Leider wurde die Regel so unhinterfragt und Jahre später immer noch in einem komplett falschen Kontext gestellt und als Idealmenge dargestellt.
Kaninchen fressen in freier Natur nahezu nur Frischfutter, deshalb ist die Menge zum Überleben im Alltag nicht ausreichend um sie ausgewogen zu ernähren. Es wird empfohlen immer so viel Grünfutter zu füttern, dass es bis zur nächsten Mahlzeit reicht und dieses durch Fruchtgemüse, Knollengemüse und wenig Obst (als Leckerli) zu ergänzen. So sollte Frischfutter, wie Heu, rund um die Uhr verfügbar sein.
2. „Nasses Frischfutter ist unverträglich und führt zu Verdauungsproblemen.“
Ob ein Kaninchen nun nasses Frischfutter frisst oder aber trockenes Frischfutter aufnimmt und dazu trinkt, ergibt dasselbe: Wasser und Frischfutter im Verdauungstrakt. Beides ist völlig unproblematisch, sofern das Kaninchen an Frischfutter gewöhnt ist. Auch Wildkaninchen nehmen an Regentagen nasses Frischfutter ohne Probleme zu sich.
Viele Züchter und Halter füttern nasses Frischfutter, ohne jemals Probleme gehabt zu haben, wissenschaftliche Futterversuche bestätigen das ebenfalls.
Wie kam es aber dann zu diesem Gerücht?
Nasses Frischfutter ist in einer Beziehung doch kritischer zu sehen als trockenes: Ein gepresst im Warmen oder der Sonne gelagertes Frischfutter, das noch dazu nass ist, gärt besonders schnell und vergorenes Frischfutter bekommt dem Kaninchen nicht. Daher sollte man Frischfutter immer locker lagern und nasses Frischfutter nicht zu lange liegen lassen.
3. „Die Grundnahrung von Kaninchen ist Heu.“
Wildkaninchen sind Folivore. Sie ernähren sich von einer vielfältigen Auswahl an verschiedenen Wildkräutern, Blättern, Wurzeln und jungen Gräsern. Unsere Hauskaninchen haben immer noch den fast identischen Verdauungstrakt und die gleichen Ernährungsansprüche. Ihre Grundnahrung sind somit Wiesenkräuter und Gräser. Heu hingegen sind getrocknete Gräser (und teilweise ein wenig getrocknete Kräuter), durch den Trocknungsprozess gehen noch dazu viel Flüssigkeit und auch Vitamine und Nährstoffe verloren. Heu ist der natürlichen Grundnahrung somit nicht ebenbürtig, sondern lediglich ein nicht perfekter Ersatz für die Grundnahrung unserer Kaninchen.
Siehe: Zwischen Mangel und Überfluss: Das Geheimnis einer bedarfsgerechten Ernährung.
Heu ist im Vergleich zur eigentlichen Grundnahrung (Wiesen-Kräuter) minderwertig und einseitig. Es sollte jedoch ergänzend zum Grünfutter als Beikost angeboten werden.
4. „Kaninchen müssen ständig fressen.“
Studien haben ergeben, dass ausgewachsene Kaninchen ca. 50-80 Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen. Sie fressen somit nicht durchgehend, sondern in vielen kleinen Portionen. Wie häufig sie am Futter knabbern ist abhängig von der Art der Nahrung (Energiegehalt, Schmackhaftigkeit…) und der Haltung (Langeweile…). Von einem ständigen Fressen kann nicht die Rede sein. Richtig wäre hingegen: „Kaninchen brauchen rund um die Uhr ein vielfältiges Nahrungsangebot und fressen über den Tag verteilt immer wieder kleinere Mengen. Die Hauptportion der Nahrung wird in den Dämmerungszeiten aufgenommen.“
5. „Früher hat man Trockenfutter verfüttert, heute füttert man trockenfutterfrei.“
Je nachdem, wo man „früher“ ansetzt, ist diese Aussage mehr oder weniger falsch. Trockenfutter für Kaninchen sind erst seit 1953 auf dem deutschen Markt. Zuvor wurden Kaninchen ohne industrielle Futtermittel gefüttert. Erst von 1953 an ging man zu der Fütterung mit Fertigfuttermitteln über. Heute entfernt man sich von dieser wieder, weil die Nachteile und Folgen bekannt geworden sind.
Quelle: Schley, P.: Kaninchen, Ulmer Verlag, Stuttgart 1985
6. „Kräuter haben eine medizinische Wirkung und sollten daher wenig verfüttert werden. Zum einen können sie bei gesunden Kaninchen Nebenwirkungen auslösen, zum anderen wirken sie dann nicht mehr im Krankheitsfall.“
Die natürliche Grundnahrung von Kaninchen sind Kräuter und Gräser, sie sind auf eine kräuterreiche Ernährung ideal angepasst. Die obige Aussage bezieht sich wohl eher auf den Menschen, der ein Allesfresser ist. Die menschliche Ernährung ist nicht mit der Kaninchenernährung vergleichbar. Ein Tier, dessen Grundnahrung Kräuter sind, hat keinerlei Probleme mit deren Verwertung.
Dass Kräuter, die zuvor gefüttert wurden, im Krankheitsfall nicht mehr wirken, ist falsch. Im Gegenteil: Durch die regelmäßige Kräuteraufnahme kann vielen Krankheiten vorgebeugt werden. Damit Kräuter ihre ganze Wirkung entfalten, verwendet man spezielle Lagermethoden, Trocknungsmethoden und spezielle Verfahren (Wickel, Aufgüsse etc.).
Die im Zoohandel abgepackten Kräuter sind somit meistens weniger wirkungsvoll. Allerdings können Kaninchen mit der Wirkung verschiedener Kräuter perfekt umgehen und selektieren sie entsprechend, um Selbstmedikation zu erreichen oder unerwünschte Wirkungen auszugleichen. Siehe hierzu: Selbstmedikation und Selektionsverhalten
7. „Kräuter/Karottengrün etc. enthalten zu viel Kalzium und sollten daher nicht zu viel verfüttert werden.“
Nachdem die Grundnahrung unserer Kaninchen Kräuter sind, ist es natürlich absoluter Unsinn, zu behaupten, ihre Grundnahrung wäre nicht ideal. Kaninchen sind auf die Aufnahme und Verwertung von Kräutern spezialisiert.
Trotzdem hier noch einmal die Erklärung zum Kalzium-Problem:
Kalzium ist ein überlebenswichtiges Mineral, das dem Körper über die Nahrung zugefügt werden muss. Normalerweise sind auch Kalziumüberschüsse kein Problem, denn der hohe Wassergehalt in der natürlichen Nahrung unserer Kaninchen (Kräuter bestehen zu ca. 80% aus Wasser) verdünnt es und so wird es ohne Probleme wieder ausgeschieden. Die Konzentration von Kalzium im Urin ist gering, es kommt nicht zur Bildung von Gries. Ist der Wassergehalt jedoch niedriger (Konzentratfütterung – auch Heu ist ein Konzentrat!), so sammelt sich das Kalzium in konzentrierter Form in den Organen an. Mangels Wasser entsteht eine konzentrierte Kalziumpampe, die sich gut ablagert. Wäre mehr Wasser vorhanden, so käme es nie zu dieser konzentrierten Form von Kalzium, das Wasser würde das Kalzium verdünnen und spielend mit ausspülen (durch viel Wasser kommt es zu einer guten Durchspülung) und Ablagerungen kämen gar nicht zu Stande. Der Übeltäter der vielen Blasen- und Nierenerkrankungen ist somit nicht das Kalzium, sondern in erster Linie eine trockene Fütterung – die unnatürlich ist.
Füttert man also artgerecht mit viel Frischfutter, so ist Kalzium kein Problem. Zum Problem wird es bei Konzentratfütterung, noch dazu, wenn die Konzentrate viel Kalzium enthalten (Trockenfutter, Heu…). Getrocknete Kräuter haben übrigens im Schnitt einen geringeren oder ähnlichen Kalziumgehalt im Vergleich zu Heu.
8. „Kaninchen müssen viel Heu fressen. Wenn sie das nicht tun, stimmt etwas nicht und man sollte sie dazu zwingen.“
Kaninchen fressen oft lieber Frischfutter als Heu und die Halter sind daraufhin sehr besorgt, weil ihr Kaninchen keine großen Mengen an Heu frisst. Kaninchen wissen jedoch, was ihnen gut tut, daher ziehen sie Frischfutter vor. Heu ist nur der Ersatz für frische Wiesenpflanzen (die eigentliche Grundnahrung der Kaninchen), es ist vitamin- und wasserärmer als Frischfutter und somit als Futtermittel nachteilig. Wenn Kaninchen kein Heu fressen, ist das somit überhaupt nicht problematisch, wenn es dafür viele Gräser, Kräuter, Blattgemüse usw. bekommt. Das ist sogar viel gesünder als eine heulastige Ernährung.
Füttert man viel Wiesengrün oder andere blattreiche Futtermittel, so wird das Kaninchen automatisch wenig Heu fressen und das gesündere Nahrungsmittel (Frischfutter) auswählen.
Mehr Infos: Heu als Futtermittel
9. „Kaninchen können keine Giftpflanzen selektieren.“
Ein Mythos, der sich recht hartnäckig hält, da viele Halter verständlicherweise Angst haben, ihre Kaninchen zu vergiften. Kaninchen haben allerdings die Möglichkeit, mit ihren Sinnen (Geschmack, Geruch…) Pflanzengifte wahrzunehmen. Da Giftpflanzen ihre Gifte produzieren, um Fraßfeinde vom Verzehr abzuhalten, wäre alles andere auch Unsinn. Kaninchen nehmen einen Probebiss, mit dem sie die Pflanze einschätzen lernen. Es geht sogar noch viel weiter: Kaninchen sind in der Lage, die Gifte in Pflanzen zu nutzen, indem sie sie gezielt bei Krankheiten konsumieren. Unsere Industrie verwendet diese Wirkstoffe in Medikamenten. Genauere, ausführliche Informationen zu diesem Thema habe ich hier zusammengefasst: Selektionsverhalten bei Giftpflanzen
Übrigens werden heute Tiere in der Forschung eingesetzt, um nicht messbare Unterschiede an Lebensmitteln festzustellen. Tiere bevorzugen im Labor beispielsweise Bio-Gemüse gegenüber herkömmlichem Gemüse, ohne dass der Mensch im Labor mit modernsten Testmethoden einen nennenswerten Unterschied findet!
Das Selektionsvermögen der Kaninchen hat jedoch auch seine Grenzen! Hochgiftige Pflanzen sollten beispielsweise nicht angeboten werden. Das Selektionsverhalten wird durch eine unzureichende Haltung und Fütterung erschwert.
10. „Futterpflanzen mit vielen ätherischen Ölen sind nicht als Futter geeignet“
Ätherische Öle sind vielfältig und ebenso vielfältig sind ihre Wirkungen. Fenchel enthält beispielsweise viele ätherische Öle und diese wirken verdauungsregulierend und entkrampfend. Ätherische Öle zählen zu den bioaktiven Substanzen, eine mangelhafte Versorgung mit bioaktiven Substanzen führt nach heutigem Stand der Wissenschaft zu diversen Krankheiten. Ihnen wird eine gesundheitsfördernde Wirkung durch wissenschaftliche Studien im Humanbereich zugeschrieben.
Ätherische Öle verleihen Pflanzen ihre Heilwirkung und schützen sie vor Fressfeinden, Bakterien, Viren und Pilzen. Sekundäre Pflanzenstoffe wirken antikanzerogen (gegen Krebs), antimikrobiell, antiviral, krampflösend, schleimlösend, antithrombotisch, antioxidativ, immunmodulierend, beruhigend/anregend und enzündungshemmend. Sie senken den Cholesterinspiegel und beeinflussen den Blutzucker und den Blutdruck.
In erster Linie enthalten ätherische Öle Monoterpene, welche sich positiv auf verschiedene Krankheiten auswirken (besonders Atemwegserkrankungen, Verdauungsstörungen). In konzentrierter Form können sie leicht die Gesundheit schädigen (die Schelimhäute reizen, Allergien auslösen), füttert man ätherische Öle allerdings in der Pflanze und noch dazu bei einer abwechslungsreichen Ernährung, so üben sie einen positiven Effekt auf die Gesundheit unserer Kaninchen aus. Die Futterpflanzen der Wildkaninchen enthalten sehr viel ätherische Öle, diese sind somit ein wichtiger Bestandteil der Futtermittel.
Ätherische Öle in der Ernährung als Vorbeugung von Erkrankungen
11. „Alle Kohlsorten sowie Klee müssen aus dem Speiseplan verbannt werden, da sie blähend wirken.“
Kohl ist tatsächlich ein wunderbares Winterfutter, wilde Kaninchen ernähren sich oft von Kohl, denn Kohl ist das Einzige, das im Winter bei Schnee noch auf den Feldern steht.
Tierärztin Dr. med vet Diana Ruf
Stimmt es, dass Kaninchen weder Kohl noch nasses Futter vertragen?
Tierärztin Dr. med vet Jutta Hein
Dass Kaninchen weder Kohl noch nasses Futter vertragen, ist ein sogenanntes „Positivgerücht“, das verbreitet wird, um bei ungewohnter Gabe Tympanien zu vermeiden. Frischfutter darf selbstverständlich nass sein (Tau auf den Blättern), wichtig ist nur, dass es nicht faulig ist, wie es bei feuchter Kühlschranklagerung leicht passieren kann. Kohl stellt als faserreiches Blattgrün gerade im Winter eine sehr gute Alternative zu Gras dar. Wichtig ist nur, dass die Tiere zunächst durch regelmäßige Gabe kleiner Mengen (Streifen und nicht Blätter) langsam daran gewöhnt werden.
12. „Die Fütterung von viel Frischfutter führt zu Magenüberladungen oder anderen Verdauungsproblemen.“
Kaninchen nehmen täglich über den Tag und die Nacht verteilt bis zu 80 Mahlzeiten auf. Füttert man rationiert, so ist das Kaninchen gezwungen, zwei Hauptmahlzeiten einzunehmen und sich von den natürlichen „30 Mahlzeiten“ weit zu entfernen. Wildkaninchen haben rund um die Uhr ein vielfältiges Nahrungsangebot um sich – hunderte von Kräutern, Gräsern und anderen Pflanzen. Kaninchen sind also in der Lage, sich das Futter gut einzuteilen.
Wie wirkt sich die Fütterung von unbegrenzt Frischfutter aber auf den Verdauungstrakt und das Fressverhalten aus? Füttert man rationiert, so stopft das Kaninchen die Nahrungsmittel eilig in sich hinein, weil es gewohnt ist, dass es anschließend nur noch Heu zur Verfügung hat und keine artgerechten Futtermittel (Wiesenkräuter usw.). Desweiteren nimmt es nur Hauptmahlzeiten zu den Zeiten ein, zu denen es Frischfutter erhält. Hat es hingegen immer eine vielfältige Nahrungsauswahl zur Verfügung, so kann es bequem viele kleine Mahlzeiten zu sich nehmen, ohne schlingen zu müssen – wie in der Natur. Eine Ad-libitum-Ernährung ist somit sehr schonend für die Verdauungsorgane, da der natürliche Fressrhythmus nicht gestört wird. Zu Magenüberladungen kommt es hingegen, wenn die Kaninchen sich ausgehungert auf eine Portion Frischfutter stürzen und gar nicht genug bekommen können, weil sie wissen, dass es danach nur noch einseitiges Heu geben wird.
13. „Heu ist gleichwertig mit frischer Wiese.“
Heu besteht oftmals nur noch aus Gras und Pflanzenstielen, ohne Kräuter und andere Pflanzen. Ein Kaninchen frisst in freier Natur jedoch fast nur die Blattspitzen, nährstoffreiche Pflanzenteile und Blätter – nicht aber die verholzten Stiele. Bei der Heuwerdung gehen alleine durch das Abbröckeln der Blätter über 50% der Nährstoffe verloren. Weitere 6-8% an Nährstoffen verliert das Heu pro Monat der Einlagerung. Bei frischem Heu bedeutet das (8 Wochen abgelagert), dass im besten Fall „nur“ 62% der Nährstoffe verloren gegangen sind (50% durch die Verluste der Blätter, 12% durch 2 Monate Ablagerung).
Hier noch ein paar Vergleichsdaten zu Heu und Gras in frischer Form (Kräuter werden außer Acht gelassen, die würden das Ganze noch einmal extremer machen):
– Gras enthält durchschnittlich 200mg ß-Carotin und 200mg Vitamin E
– Heu enthält durchschnittlich 20mg ß-Carotin und 30mg Vitamin E
Dar größte Nachteil von Heu gegenüber der Wiese kommt jedoch erst noch: Der Wassergehalt. Während Heu nur einen minimalen Wassergehalt hat (weniger als 15%), enthält Wiese 80-90% Wasser. Die Folgen einer zu wasserarmen Fütterung sind vielfältig und leider teilweise lebensverkürzend und tödlich (z.B. Nierenversagen).
Weiterführend: Hauptnahrung Heu?
Quellen: „Vitamine in der Tierernährung“ Arbeitsgemeinschaft für Wirkstoffe in der Tierernährung – „Kaninchenfütterung“ Lackenbauer, Willi
14. „Bei Durchfall muss man immer eine Heudiät machen.“
Jeder kennt die Empfehlungen, wenn ein Mensch Durchfall hat: Viel trinken, der Körper verliert Wasser. Bei Kaninchen ist es genauso: Erkrankt ein Kaninchen an Durchfall, so hat es natürlich einen immensen Wasserverlust zu verkraften, Heu ist allerdings sehr wasserarm.
Die Tierärztin Dr. med. vet. Anja Ewringmann schreibt in „Leitsymptome beim Kaninchen“: „Die richtige Fütterung bei Durchfallerkrankungen ist therapeutisch enorm wichtig. […] Eine Heu- und Wasserdiät ist nicht geeignet, um den Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden.“
Allgemein kann man sagen, dass zuerst immer die Ursache des Durchfalls ausfindig gemacht und behoben werden muss.
Durchfall entsteht übrigens, wenn sich Hefen, E. Coli-Bakterien, Kokzidien, Bakterien oder andere Bestandteile der Darmflora zu stark ausbreiten und die gesunde Darmflora überwuchern. Das ist unter anderen der Fall, wenn die Ernährung nicht richtig zusammengesetzt oder das Tier geschwächt ist. Wurden neue Futtermittel angefüttert und folgt darauf ein Durchfall, so sollten diese selbstverständlich wieder abgesetzt oder langsamer angefüttert werden.
Bei Durchfall sollte nur Futter angeboten werden, das bekannt ist, vertragen wurde und gut verdaulich ist! Nicht nur Heu gehört in diese Rubrik, im Gegenteil, Heu ist zu wasserarm. Bei Durchfall muss das Kaninchen unbedingt eine wasserreiche Ernährung erhalten, um das verlorene Wasser wieder auszugleichen. Mögliche andere Futtermittel sind:
– frisch geraspelter Apfel: Die enthaltenen Pektine dicken den Darminhalt ein und stoppen so den Durchfall.
– gekochte Karotten: Erst durch das Kochen werden wirksame Oligogalakturonsäuren freigesetzt.
– Heidel- und Preiselbeeren: Enthalten Oligogalakturonsäuren.
– magen-darmfreundliche Kräuter: Enthalten verschiedene Wirkstoffe.
– strukturreiches Frischfutter (Heu, (Wiesen)Kräuter, Gräser, Blattgemüse): Die Struktur unterstützt die Verdauung.
Vorausgesetzt natürlich, das Kaninchen kennt und verträgt diese Futtermittel. Wird ein Kaninchen nur mit Heu und Trockenfutter ernährt, so bleibt einem tatsächlich nichts anderes übrig, als bei Durchfall „nur Heu“ zu verfüttern.
Ernährung bei Durchfallerkrankungen beim Kaninchen
15. „Hauskaninchen sind domestiziert und daher nicht mehr im Stande, zu selektieren.“
Ob ein Tier selektieren kann, hat wenig mit der Domestikation zu tun, denn die Fähigkeit, zu selektieren, wird nicht vererbt, sondern erlernt und erprobt. Kaninchen stellen mit ihren Geschmacksnerven bei einem ersten Probebiss fest, ob eine Pflanze giftig ist. Unterstützt wird dieser Eindruck durch ihren Geruchssinn. Kaninchen lernen also in erster Linie durch Sinneswahrnehmungen und Erfahrungen. Diese Erfahrungen werden weitergegeben, so dass junge Kaninchen auch von ihren Eltern einiges übernehmen. Zum einen über den Geschmack der Muttermilch (auch sie enthält die „richtigen Pflanzen“), zum anderen durch Beobachten beim Fressverhalten der erwachsenen Tiere. Nicht nur die Selektion von Giftpflanzen wird so erlernt, sondern auch das Auswählen und Zusammenstellen von Futterpflanzen. Kaninchen orientieren sich sehr am Geschmack, der ihnen z.B. einen hohen Proteingehalt anzeigt. Dass Kaninchen ihre Mahlzeiten selektieren, wissen eigentlich alle Halter, beispielsweise werden Möhrengrün und Kräuter immer einer Möhre vorgezogen und in viel größeren Mengen gefressen, so wie auch Kaninchen in der Natur an erster Stelle Kräuter fressen – Wurzeln (Möhren sind Wurzelfrüchte) machen nur einen kleinen Anteil aus. Mehr zum Thema findet sich hier: Selektion von Giftpflanzen
Ob diese Winzlinge später selektieren können, entscheidet nicht ihre genetische Abstammung, sondern ihr Lebensweg. Aber jetzt schon lernen sie durch die Muttermilch, was gut ist.
16. „Wenn ein Kaninchen nicht trinkt, ist es krank.“
Kaninchen decken in freier Natur ihren Wasserbedarf hauptsächlich durch ihre Futtermittel, Wiesenpflanzen bestehen aus ca. 80% Wasser. Zusätzlich trinken sie aus Bächen, Pfützen usw. Auch Gemüse und Obst sind sehr wasserreich. Wenn man seine Kaninchen mit sehr viel Frischfutter füttert, wird es auch nur sehr wenig oder gar nichts trinken. Krank ist es deswegen jedoch nicht, es deckt seinen Wasserbedarf nur auf natürlichem Wege. Wasser sollte aber trotzdem rund um die Uhr angeboten und täglich erneuert werden! Trotzdem sollte natürlich immer frisches Wasser angeboten werden.
Trinkt ein Kaninchen hingegen plötzlich von einem Tag auf den anderen nichts mehr, obwohl die Fütterung nicht wasserreicher ist als sonst, kann das schon ein Krankheitszeichen sein, ebenso wenn extrem viel getrunken wird.
17. „Bei einer Ad-libitum-Ernährung vergammelt nur das Futter.“
Wenn man zweimal täglich das Futter kontrolliert (2x täglich müsste man ja auch füttern, wenn man rationiert füttert), wird kein Futtermittel der Welt zu faulen anfangen. Das meiste Gemüse hält sich sogar 2-3 Tage, frische Wiesenkräuter halten sich meist 24 Std.
18.“Kaninchen bekommen von zu viel Grün- und anderem Frischfutter Durchfall.“
In der Natur fressen Kaninchen meistens ausnahmslos Frischfutter, nämlich viele verschiedene Pflanzen. Unsere Hauskaninchen haben den fast identischen Verdauungstrakt. Reagiert ein Kaninchen auf Frischfutter mit Durchfall, so wird es entweder falsch ernährt, so dass die Verdauung bzw. die Zähne nicht mehr einwandfrei funktionieren, oder aber es wird falsch verabreicht (plötzlich große Mengen, vergoren etc.).
Dr. med. vet. Anja Ewringmann schreibt in „Leitsymptome beim Kaninchen“:
„Immer wieder erfährt man von Kaninchenbesitzern, dass sie ihren Kaninchen kein Frischfutter anbieten, da es Durchfall auslöst. In den meisten Fällen liegt dem jedoch eine latente Zahnerkrankung zugrunde. Natürlich löst unzureichend zerkautes Obst und Gemüse schneller Fehlgärungen aus als Trockenfutteranteile. Bei solchen Kaninchen können regelmäßige Zahnkorrekturen dazu führen, dass sie wieder artgerecht ernährt werden können.“
19.“Industrielles Trockenfutter ist optimal auf die Bedürfnisse des Kaninchens angepasst.“
Eher müsste es heißen: Kommerzielles Mischfutter ist optimal auf die Bedürfnisse der Industrie angepasst, denn in den Kaninchenfuttermischungen ist nicht etwa das enthalten, was unsere Kaninchen brauchen, sondern vielmehr das, was in der Industrie an Abfällen anfällt und einen „Abnehmer“ benötigt, der dafür auch noch viel Geld zahlt.
Beispielsweise sind auf jeder Futterverpackung in den Inhaltsstoffen „pflanzliche Nebenerzeugnisse“ zu finden. Das sind nicht näher definierte Abfälle, die bei der Produktion eines anderen Produktes anfallen. Bei den handelsüblichen Trockenfuttern haben wir also einen Brei aus Abfällen der Industrie. Da unsere Kaninchen so etwas nie fressen würden, wird dieser Brei mit künstlichen Aromen angereichert, so dass ihn jedes Tier liebt. Übrigens lieben meine Katzen Kaninchentrockenfutter. Warum eine Katze ein rein pflanzliches Produkt, das völlig artfremd ist, so liebt, kann man nun selbst weiter denken… Da dieser Brei aber auch noch unappetitlich aussieht, wird er noch in verschiedenen Farben eingefärbt. Gelb steht hierbei für Getreide, grün für Kräuter, so steht es zumindest in den Lehrbüchern der Futtermittel-Designer geschrieben und tatsächlich scheint es beim Verbraucher diesen Anschein zu erwecken. Er denkt, dass er seinem Tier etwas Gutes tut. Da dieser Brei nahezu völlig vitaminfrei ist, wird er noch mit synthetischen Vitaminen angereichert, allerdings meist überdosiert. Teilweise sind die Vitamine um das 10fache überdosiert, die 5fache Menge ist die Regel. Dass Überdosierungen zu Schäden führen, das wird uns verschwiegen…
Sekundäre Pflanzenstoffe und andere wichtige Substanzen fehlen hingegen gänzlich. Die Zusammensetzung ist somit alles andere als ideal.
Weiterführend: Trockenfutter
20.“Nur Trockenfutter gewährleistet eine optimale Versorgung mit allen Nährstoffen!“
Alle essentiellen Nährstoffe sind auch in anderen Futtermitteln enthalten, es gibt keinen einzigen Nährstoff, der ausschließlich im Trockenfutter existiert. Ansonsten wären sämtliche Wildkaninchen schon krank oder gestorben. Im Gegenteil, viele Kaninchen leiden bei einer Trockenfutterernährung unter Mängeln. Die Grafik recht zeigt, dass Fertigfuttersorten für Kaninchen nicht auf die Tierart angepasst werden.
21. „Trockenfutter (wie z.B. Pellets) ist für den Zahnabrieb zuständig und wichtig.“
22. „Die Kaninchen-Zähne werden durch harte Futtermittel abgeschliffen.“
23. „Brot ist für den Zahnabrieb nützlich.“
24. „Grobes, langes Heu ist wichtig für den Zahnabrieb, deshalb müssen Kaninchen viel Heu fressen.“
An dieser Stelle fasse ich eben vier Mythen zusammen und erkläre den Zahnabrieb von Grund auf: Für den Zahnabrieb ist die Dauer des Kauens von Bedeutung. Je länger das Kaninchen kaut (die Zähne aufeinander reibt), desto besser werden die Zähne abgerieben. Wenn das Futter besonders gut schmeckt und wenig satt macht, fressen die Kaninchen besonders viel und kauen somit auch viel länger (= besserer Zahnabrieb). Daher ist ein Futter, das nicht so schnell satt macht und gut schmeckt, am besten für den Zahnabrieb. Desweiteren spielt die Kieselsäure eine Rolle. Kieselsäure ist in allen Pflanzen enthalten und schmirgelt die Zähne zusätzlich. Ideal ist eine Nahrung, die wenig satt macht, sehr gut schmeckt und kieselsäurereich ist. Trockenfutter und Brot machen viel zu schnell satt (wenig Kaubewegungen) und sind daher ungeeignet. Die Härte des Futters wirkt sich nicht auf den Zahnabrieb aus. Für den Zahnabrieb sind folgende Futtermittel gut geeignet: Blattgemüse, Wiesenkräuter, Gräser, Küchenkräuter, getr. Kräuter und Blätter, Heu, anderes Gemüse…
Wie funktioniert genau der Zahnabrieb? Ausführliche Informationen über den Kaninchen-Zahnabrieb
25. „Zwiebelgemüse und Kartoffeln sind giftig.“
Damit eine Pflanze giftig ist, muss sie einen Stoff enthalten, der zu Vergiftungserscheinungen führt. Weder Zwiebelgewächse noch Kartoffeln enthalten einen solchen Stoff. Wie kommt es dann zu solchen Aussagen? Kartoffeln enthalten viel schlecht verdauliche Stärke, daher wird oft von einer Fütterung abgeraten, giftig sind sie aber nicht. Giftig sind lediglich die grünen Stellen und die Pflanze der Kartoffel, nicht aber die Frucht. Sie können in geringen Mengen auch angeboten werden. Zwiebelgewächse sind recht scharf und werden daher nicht gefressen bzw. nur in geringen Mengen. Das hat aber nichts mit einem Gift zu tun. Das große Problem ist, dass viele Halter heute die Futtermittel in zwei Gruppen einteilen: giftig und ungiftig. So landen „unverträgliche“ Futtermittel und Pflanzen, die nur in geringeren Mengen verträglich, aber ungiftig sind, mit im Topf der giftigen Futtermittel. Man beachte bitte auch immer: Die Dosis macht das Gift. Ab einer gewissen Menge sind alle Futtermittel giftig, sogar Wasser kann bei Überdosis tödlich sein!
26. „Kaninchen können nicht selektieren, bei der Fütterung mit unbegrenzt Frischfutter verfetten sie.“
Allgemein macht eine solche nicht dick, Wildkaninchen haben ja auch rund um die Uhr ein gigantisches Nahrungsangebot um sich. Problematisch wird es allerdings, wenn die Haltung und die Futtermittel nicht stimmen. Die Futtermittelauswahl muss grundsätzlich auf die Haltungsform abgestimmt werden, zumindest muss man ein Auge darauf haben. Gräser, Heu und Wiesenkräuter ad libitum kann man jedem Kaninchen geben, auch wenn es im Käfig lebt. Blattgemüse ist ebenfalls in der Hinsicht völlig unproblematisch. Knollengemüse kann man, wenn auch Blattgemüse und Wiesenkräuter ad libitum zur Verfügung stehen, es in kleinen Mengen zufüttern . Samen, Getreideähren und Ähnliches sollte man nur bei Bedarf füttern und dann auch ggf. rationiert. Es ist wichtig, die Kaninchen zu beobachten und sich anzuschauen (wie bei jeder anderen Fütterung auch). Man kann durch die Futtermittel Einfluss auf den Energiegehalt der Nahrung nehmen. Aber: Die meisten Kaninchen machen das ganz von alleine. Wenn sie den Energieverbrauch nicht haben, fressen sie auch weniger energiehaltige Nahrungsmittel. Wichtig ist, das Futter abwechslungsreich anzubieten (mehrere Futterstellen, aufhängen, verstreuen…) um Adipositas vorzubeugen.
Wann eine solche Ernährung aber schief gehen könnte:
1. Es ist keine echte Ad-libitum-Ernährung, es werden nur einseitige Futtermittel oder falsche Futtermittel angeboten (z.B. handelsübliches Trockenfutter, kein Blattgemüse/Wiesenkräuter ad libitum (das muss vorhanden sein!)
2. Das Kaninchen lebt so beengt, dass es aus Langeweile frisst und es werden extrem einseitige oder falsche Futtermittel angeboten.
Auch Wildkaninchen haben rund um die Uhr ein reichhaltiges Angebot an verschiedenen Futtermitteln um sich. Fett werden sie dadurch nicht, sondern gesund und munter!
27. „Getreidefreies Futter ist ein gesunder Ersatz für Mischfutter.“
Jahrelang wurden Kaninchen mit getreidehaltigen Trockenfuttern als Grundnahrung gefüttert, dadurch kam es zu diversen Verdauungsproblemen und Krankheitsbildern. Dann ging der Trend weiter weg vom getreidehaltigen Futter und irgendwann kamen dann neue Trockenfutter auf den Markt, die damit werben, dass sie „getreidefrei“ oder „ohne ganze Getreidekörner“ sind. Auch getreidefreies Trockenfutter ist sehr problematisch. Trockenfutter bleibt Trockenfutter, auch wenn kein Getreide enthalten ist. Es quillt im Magen auf (siehe Quellversuche). Auch die Zusatzstoffe bzw. allgemein die Inhaltsstoffe in solchen Futtermitteln sind teilweise haarsträubend. Die Form und Struktur begünstigt Zahnerkrankungen und Verdauungsstörngen. Ein Trockenfutter sollte grundsätzlich als Energie- und Ergänzungsfutter eingesetzt werden und zwar gut dosiert. Das heißt, dass es nur im Bedarfsfall in kleinen Mengen verabreicht wird. Auf keinen Fall sollte man auf Pellets oder andere gemahlene und wieder verklumpte Trockenfutterbestandteile zurückgreifen, da sie den oben erwähnten Quelleffekt haben und die Struktur durch den Mahlvorgang zerstört wurde. Auch, wenn sie getreidefrei sind, richten sie den gleichen Schaden wie anderes Trockenfutter an. Als Energie- und Ergänzungsfutter eignet sich eine Mischung aus Samen, getrockneten Kräutern und evtl. etwas getrocknetem Gemüse.
Ist Trockenfutter gesund?
Mangel im Überfluss: Das Geheimnis einer bedarfgerechten Ernährung
28. „Getreide ist Gift für Kaninchen.“
Wildkaninchen nehmen im Sommer, Herbst und zum Winteranfang etwas Getreide auf, indem sie die Getreideähren fressen. In dieser Form ist Getreide sehr gut verträglich und als Energiefutter oder Ergänzung der Ernährung gut zur Fütterung geeigent. In folgenden Fällen ist Getreide tatsächlich unverträglich:
- Wenn Weizen oder Roggen verfüttert wird. Die Sorten werden schwer vertragen, lieber auf anderes Getreide ausweichen.
- Wenn Getreide zum Hauptfutter wird. Getreide sollte grundsätzlich lediglich eine Ergänzung sein!
- Wenn das Getreide falsch angeboten wird (Körner). Es muss grundsätzlich mit Spelz verfüttert werden (Getreideähren oder Körner mit Spelz!)
- Wenn es stark verarbeitet ist (für Trockenfutter gemahlen, gepresst etc.) und somit die Struktur fehlt.
Beispielsweise kann man saisonal (Herbst) Getreide in Ähren den Kaninchen anbieten, sofern sie als Hauptnahrung Wiesenkräuter, Blattgemüse, Kräuter und andere artgerechte Futtermittel bekommen.
29. „Salate, Gurke usw. sind minderwertig, da sie kaum Nährstoffe/viel Wasser enthalten“
Diese Gemüsesorten haben tatsächlich einen sehr hohen Wassergehalt. Wiesenpflanzen (die natürliche Grundnahrung unserer Kaninchen) haben aber ebenfalls einen sehr hohen Wassergehalt. Unsere Kaninchen-Haustierernährung ist in den meisten Fällen viel zu wasserarm, gerade weil trockene Futtermittel (Heu, Trockenfutter…) als Hauptbestandteil verfüttert werden. Dadurch kommt es zu vielfältigen Erkrankungen (Nieren, Blase). Gerade wasserreiche Futtermittel sind deshalb sehr wichtig für die Kaninchenernährung. Dass Gurken oder Salat einen geringen Nährstoffgehalt haben, stimmt nicht. Betrachtet man die Trockenmasse und analysiert die Nährstoffdichte, so sind sie genauso nährstoffreich wie andere Gemüsesorten. Nur, wenn man das viele Wasser mit einrechnet, ist der Nährstoffgehalt natürlich gering.
30. „Pellets bestehen aus gepressten Kräutern.“
Oftmals wird der Tipp gegeben, im normalen Trockenfutter die bunten Bestandteile rauszusortieren und nur die gesunden Pellets zu verfüttern oder gleich ein Futtermittel aus Pellets anzubieten. Diese Pellets bestünden aus Kräutern und seien nicht so schädlich. Diese Pellets bestehen allerdings weder aus Kräutern, noch sind sie gesünder als der Rest. Meistens sind Pellets gepresste Bestandteile, die grün eingefärbt werden. Zutaten für Pellets sind verschiedene Grünmehle, Getreide, Abfälle aus der Industrie, abhängig machende Aromen usw. Die grüne Farbe ist künstlich und täuscht über den tatsächlichen Inhalt hinweg.
31. „Die Ernährung sollte aus 80% Heu und 20% Frischfutter bestehen.“
Auch diese Empfehlung ist, genau wie die 100g-Regel (Mythos 1), nicht empfehlenswert, um seine Kaninchen artgerecht zu versorgen. Wildkaninchen finden kein Heu in der Natur, sie fressen zu 100% frische Kräuter und Blätter. Auch unsere Hauskaninchen sollten so ernährt werden, denn ihre Verdauung ist immer noch fast identisch mit der von Wildkaninchen. Sie sind somit auf eine solche frische Ernährung angewiesen. Frischfutter sollte nach Möglichkeit 100% der Nahrung ausmachen. Hat man keine Möglichkeit, Frischfutter von der Wiese zu sammeln, so kann man ersatzweise Küchenkräuter, Gemüsegrün und Blattgemüse als Hauptbestanteil verfüttern und das Ganze mit anderem Gemüse, wenig Obst als Leckerli, Heu und anderen Futtermitteln ergänzen.
Laut Futterversuchen von Schlolaut kann ein Kaninchen bei reiner Heufütterung 58g Heu je Kilogramm Körpergewicht und Tag aufnehmen. Das entspricht beispielsweise bei einem 1,5 kg schweren Zwergkaninchen einer Menge von 87g.
Diese 87g müssen allerdings nach dieser Regel ganze 80% der Tagesration ausmachen, denn es sollte 80% Heu verfüttert werden. Wenn 87g, 80% der Tagesration sind, dann sind 20% der Tagesration (die laut diverser Seiten Frischfutter ausmachen sollten) 17,4g.
Das heißt konkret: Das 1,5kg schwere Kaninchen darf höchstens 17,4g Frischfutter am Tag bekommen, wenn man die Regel „80% Heu und 20% Frischfutter“ einhalten möchte.
32. „Obst und Gemüse muss man heiß waschen.“
Wissenschaftler haben festgestellt, dass es keinen Unterschied macht, ob das Wasser kalt oder heiß ist – die Pestizide können trotz heißen Waschgangs nicht besser entfernt werden, dafür schädigt das heiße Wasser aber das Gemüse, es wird schlapp und alt und hält sich nicht mehr lange. Desweiteren werden lebenswichtige Vitamine zerstört! Viel wirkungsvoller ist kaltes Wasser und eine Bürste oder ein Tuch zum Abrubbeln. Heißes Wasser ist lediglich notwendig, wenn Obst bewachst ist (z.B. Äpfel mit glänzender Oberfläche aus dem Supermarkt), denn Wachs wird durch heißes Wasser besser gelöst.
33. „Bei Obst und Gemüse sollte man die Schale abschälen, bevor es die Kaninchen bekommen.“
Die meisten Vitamine liegen direkt unter der Schale und werden somit beim Schälen mitentfernt, deshalb ist es nicht sinnvoll, Frischfutter zu schälen, sondern besser gründlich zu waschen (siehe Mythos 32), nur sehr, sehr stark belastete Gemüsesorten sollten geschält werden, hier überwiegt der Schaden.
34. „Wenn Blinddarmkot liegen bleibt, ist ein Kaninchen krank.“
Es gibt verschiedene Ursachen, die dazu führen, dass der Blinddarmkot nicht (vollständig) aufgenommen wird. Klassisch ist das Liegenbleiben des Blinddarmkots dann zu beobachten, wenn man Tiere im Frühjahr auf Wiesenfutter umstellt. Die Ursache ist einfach: Das Kaninchen bekommt dadurch eine Nahrung mit ungewohntem Energiegehalt. Hat sich der Energiehaushalt darauf eingestellt, verschwinden oftmals die „Häufchen“ sehr schnell wieder. Oder aber sie bleiben. Aber auch das ist nicht weiter tragisch, denn das weist nur darauf hin, dass das Kaninchen viel Energie aufnimmt. Der vollständige Blinddarmkot wird übrigens nur aufgenommen, wenn Energiemangel besteht, ansonsten bleibt immer wieder mal etwas Blinddarmkot liegen. Andere Ursache für das Liegenbleiben des Weichkotes gibt es jedoch auch. Beispielweise, wenn er anders riecht (oft ein Hinweis auf Kokzidien > mit einer Kotprobe festzustellen!) oder anders schmeckt.
Viele Tiere lassen ihren Blinddarmkot in Massen liegen, weil sie mit industriellen Futter gefüttert werden, das hinsichtlich der Nährstoffe extrem überdosiert ist. Das ist im Übrigen gesundheitsschädlich (denn Überdosen an synthetischen Vitaminen und Mineralien verursachen Folgeschäden) und sollte im Interesse der Kaninchen dann langsam reduziert und schließlich weg gelassen werden.
Weitere Gründe für das Liegenbleiben des Blinddarmkotes:
Kleine Köttelkunde
Quellen:
– Fekete, S.: Ernährung der Kaninchen; in: Ernährung monogastrischer Nutztiere, Kapitel 4; Wiesemüller, W. und Leibetseder, J. (Hrsg.), Gustav Fischer Verlag; Jena, Stuttgart; 1993
– Boback, A. W.: Das Wildkaninchen. Wittenberg Lutherstadt: A. Ziemsen Verlag, 1970
36. „Apfelkerne sind giftig und müssen aus dem Apfel entfernt werden, bevor man ihn füttert.“
Apfelkerne enthalten etwa 1mg Sambunigrin je Kilo. Sambunigrin ist ein cyanogenes Glycosid, was zu Blausäure und Traubenzucker zerfällt, wenn es in Kontakt mit Wasser kommt. LD(50)-Tests haben ergeben, dass eine Menge von 3-4mg/Kilo bei 50% der Versuchskaninchen zum Tode führt. Als Beispiel wird von einem 2kg schweren Kaninchen ausgegangen: 2kg schwere Kaninchen müssen also 6-8mg Sambunigrin essen, damit dieses tödlich wirkt. Das entspricht 6-8kg Apfelkerne! Wie viel wiegt ein Apfelkern? Wie viel Kerne hat ein Apfel? Blausäure wird im Körper wieder abgebaut, d.h. diese Menge müsste zudem innerhalb einer Stunde eingenommen werden. Wird für die Menge länger als eine Stunde gebraucht, muss eine größere Menge gefressen werden. Eine Menge von 6-8kg Apfelkerne ist unrealistisch hoch, solche Mengen bezwingt kein Kaninchen. Selbst, wenn man Kaninchen ausnahmlos mit Apfelkernen (ohne ein anderes Futter!) füttern würde, würden sie dies überleben. Apfelkerne in kleinen Mengen, wie sie bei der Fütterung mit ganzen Äpfeln gereicht werden, sind unschädlich.
37. „Steinobstäste enthalten Blausäure und dürfen daher nicht gefüttert werden.“
Die Äste von allen Steinobstfrüchten (Kirsche, Zwetschge, Mirabelle…) können problemlos verfüttert werden. Sie enthalten weder Blausäure noch Amygdalin, ein cyanogenes Glycosid, das zu Blausäure und Fruchtzucker zerfällt, wenn es in Kontakt mit Wasser kommt. Amygdalin ist lediglich im Kern der Steinobstfrüchte enthalten, aber nicht in der Rinde oder in den Blättern. Welche Zweige darf ich füttern?
„Die Cyanide sind nur in den Samen der Obstkerne enthalten. D.h. die Äste der Steinobstarten dürfen den Chinchillas, Meerschweinchen und Zwergkaninchen angeboten werden, sofern sie nicht gespritzt wurden.“ Frau Dr. Jacqueline Kupper, Universität Zürich: Quelle: ZZA 4/2003 S. 57
„Einem hartnäckigen Gerücht zufolge, das im Internet kursiert, sollen jedoch die Zweige von Steinobstbäumen giftige Blausäure enthalten. Da ich solche Zweige an viele meiner Nager schon verfüttert hatte, unternahm ich damals für meine beiden Hamsterbücher aufwendige Recherchen. Baumschulen und Gärtnereien waren sehr verwundert, weil Kaninchen und andere Nager ihre jungen Obstbäume vielmehr oft mit Begeisterung zernagten, und das ohne die geringste Vergiftung. Dr. Petra Wolf von der Tierärztlichen Hochschule Hannover berichtete mir dann, dass sie im Jahr 1995/96 eine leider unveröffentlichte Studie durchgeführt hat. Es wurden sämtliche einheimischen Kernobstbäume und Laubbäume getestet. Lediglich Pappel- und Weidenzweige enthalten blausäurehaltige Verbindungen, doch im sehr geringen Maß. Eine 2003 an der Universität Zürich durchgeführte Untersuchung kam zu demselben Ergebnis.“ Judy Fox in Chinchillas: Artgerecht halten, pflegen und züchten, 2009, S. 43.
38. „Der Verdauungstrakt des Kaninchens hat mit dem seiner wilden Verwandten wenig zu tun, denn unsere Hauskaninchen sind domestiziert.“
Der Verdauungstrakt der Hauskaninchen ist vom Aufbau her identisch mit dem der Wildkaninchen. Unterschiede sind nur in der Größe und Länge einzelner Abschnitte zu finden: Große Rassen haben beispielweise einen weniger ausgeprägteren Chymocolon (der körpernahe Teil des Grimmdarms) als kleine Rassen. Daraus lässt sich aber nicht die Notwendigkeit einer anderen Ernährung ableiten. Wenn man ein Hermelin-Kaninchen genauso wie einen Widder füttert, so muss man auch die Ernährungsansprüche für Wildkaninchen auf Hauskaninchen übertragen.
Wie funktioniert eigentlich die Verdauung?
39. „Obst (z.B. Apfel) ist extrem zuckerhaltig“
Im Vergleich zu Gemüse hat Obst einen etwas höheren Zuckergehalt, 100g Apfel enthält 10g Zucker, die gleiche Menge in Form von Karotten beinhaltet etwa nur halb so viel Zucker. Interessant wird es aber, wenn man sich den Zuckergehalt von Heu anschaut, denn Heu enthält etwa genauso viel Zucker wie ein frischer Apfel und wird trotzdem vielerorts als Hauptnahrung empfohlen. Warum sollte man nun Heu unbegrenzt anbieten und Apfel (der den gleichen Zuckergehalt hat) nur 2-3x die Woche? Aber ist so ein hoher Zuckergehalt (egal ob aus dem Heu oder aus dem Apfel) nicht unnatürlich oder ungesund für Kaninchen? Löwenzahn, der zur natürlichen Nahrung des Kaninchens gehört, enthält nur ein Zehntel weniger Zucker als frischer Apfel. Da man Apfel nicht als Alleinnahrung füttert, sondern als Kleinstmenge in einer Mischung, gleichen sich die Komponenten ideal aus. Obst sollte natürlich immer nur eine Ergänzung sein, zur täglichen Futterportion kann jedoch auch eine kleine Menge Obst aus der Hand als Leckerli gereicht werden.
43. „Die Schneidezähne werden durch das Benagen von Holz (Äste etc.) oder anderen harten Gegenständen abgenutzt.“
Die Härte des Futters hat für den Zahnabrieb (egal ob für die Backen- oder Schneidezähne) kaum eine Bedeutung. Die Schneidezähne werden durch die Mahlbewegungen des Unterkiefers beim normalen Kauen abgenutzt und nicht durch das Benagen von Ästen. Somit sind Zweige nicht für den Schneidezahn-Abrieb wichtig, können aber trotzdem angeboten werden, denn sie sind ein geeignetes Beschäftigungsmaterial und ihre sekundären Pflanzenstoffe sind wichtig in der Kaninchenernährung. Wie funktioniert der Zahnabrieb?
Quelle: Wolf, P/Kamphues, J./Soltan, M.: Vergleichende Untersuchungen zu Fütterungseinflüssen auf die Entwicklung der Schneidezahnlängen bei Kaninchen, Chinchillas und Ratten. 1995
44. „Kaninchen haben einen Stopfmagen oder Stopfdarm“
Das Wort „Stopfmagen“ klingt beängstigend, oft wird es zusammen mit der Geschichte präsentiert, dass Kaninchen rund um die Uhr Futter „nachstopfen“ müssten, damit die Verdauung möglich wäre (weil keine Peristaltik beim Kaninchen vorhanden sei) und das Kaninchen sonst sterben würde. Kaninchen verfügen über Peristaltik (Muskulatur), sie ist lediglich weniger ausgeprägt als beim Menschen, aber sie ist vorhanden! Wie bei jedem anderen Tier (und auch beim Menschen) ist die Aufenthaltsdauer der Nahrung im Magen und Darm an die Nahrungsaufnahme gekoppelt. Wenn das Kaninchen hungert oder unzureichend ernährt wird, findet weniger Kotabsatz statt und der Verdauungsbrei wandert langsamer vorwärts. Allerdings ist dieser Punkt nicht der einzige, der sich auf die Dauer auswirkt. Ebenfalls einen Einfluss hat die Aktivität des Kaninchens: Wenn es sich viel bewegt, ist die Verdauung schneller als wenn es vorwiegend herumsitzt. Auch psychische Einflüsse und die Nahrungsbeschaffenheit (Fasergehalt) haben eine gewaltige Wirkung auf die Geschwindigkeit. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde herausgefunden, dass hungernde Kaninchen versuchen, mittewls Blinddarmkot-Aufnahme die Nahrungszufuhr aufrecht zu erhalten.
Nimmt ein Kaninchen keine Nahrung zu sich, so sorgt die Peristaltik dafür, dass sich der Magen langsam leert. Dies kann der Tierarzt ertasten. Trotzdem ist es für Kaninchen nicht gesund, wenn sie keine Nahrung zu sich nehmen. Da sie einen sehr schnellen Stoffwechsel haben, bauen sie sehr schnell ab. Zudem wird beim Kaninchen das Fett über die Leber abgebaut, somit entstehen bei adipösen Kaninchen Leberschäden. Verweigert ein Kaninchen die Nahrungsaufnahme, so muss es umgehend einem Tierarzt vorgestellt werden. Es gibt viele Ursachen für Nahrungsverweigerung (Schmerzen, Übelkeit, Verdauungsstörungen, Zustand nach der Narkose, …), damit das Tier gezielt behandelt werden kann, muss Diagnostik (Blutbild, Röntgenbild, Kotprobe…) erfolgen. Je nach Ursache kann eine Zwangsernährung nötig werden. Siehe Päppeln/Zwangsernährung
Quellen u.a.:
– Swirski, G.: Zur Frage über die Retention des festen Mageninhaltes beim hungernden Kaninchen. Aus dem pharmakologisehen Institut von Professor S. 0. Tsehirwinsky in Jurjew (Dorpat). Springer Berlin/Heidelberg, 1898
– Nehring K., Lehrbuch der Tierernährung und Futtermittelkunde, Neumann Verlag,1959, 7. Auflage
45. „Ich habe Angst, meine Kaninchen zu vergiften und füttere daher keine frischen Grünpflanzen, sondern nur Heu und Gemüse.“
Vor Unbekanntem hat man bekanntlich am meisten Angst. Heu gibt es im Zoohandel und deshalb wird es als „sicher“ eingeschätzt, zudem füttert man es ja schon seit Jahren, ohne seine Kaninchen zu vergiften. Grünfutter hingegen ist bisher fremd in der Fütterung. Es gibt jedoch auch einige Pflanzen, die im Heu giftig sind, denn Heu ist auch nichts anderes als ein Gemisch aus Grünpflanzen, also Wiese. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Grünfutter frisch und Heu getrocknet und lange gelagert ist. Manche Pflanzen verlieren ihre Giftigkeit durch die Trocknung bzw. sie wird abgeschwächt, aber Kaninchen können sich mit genauso großer Wahrscheinlichkeit am Heu vergiften wie am Frischfutter, denn Heu ist nicht giftfrei und sicher, wie oft fälschlich angenommen wird. Da sich Kaninchen aber auf Grund ihres guten Selektionsvermögens extrem selten bzw. nur bei groben Fütterungsfehlern vergiften, sind Vergiftungsfälle beim Heu genauso selten beim Kaninchen wie Vergiftungsfälle überhaupt. Und wenn sich ein Kaninchen vergiftet, wird meist als letztes ans Heu gedacht. Die gefährlichsten Pflanzen im Heu ist die Herbstzeitlose, ihre Giftigkeit wird durch die Trocknung nicht vermindert. Im frischen Grün können die Kaninchen diese Pflanze verhältnismäßig gut aussortieren, da sie noch ihren ursprünglichen Geruch und Geschmack haben, im Heu sind sie oft zerbröselt, geruchlos, weil sie nur noch nach Heu riechen, und nicht mehr so auffällig im Geschmack, so dass sie gerne mitgefressen werden. Zudem kann Heu auch stark gespritzt sein, direkt neben der Autobahn gewachsen sein, bei der Lagerung oder Trocknung in Kontakt mit Giftstoffen gekommen sein (in der Scheune an Motorenöl etc.), mit Seuchen (z.B. Myxomatose) kontaminiert sein oder durch schlechte Lagerung Schimmelsporen enthalten, die ebenfalls giftig wirken. Und auch Gemüse kann die Kaninchen gefährden, denn oftmals ist Gemüse stark mit Giften belastet, die auf dem Feld zum Schutz der Pflanzen gespritzt werden. Auch handelsübliches Kaninchenfutter enthält oftmals Giftstoffe (an dieser Stelle sei das Buch „Katzen würden Mäuse kaufen“ empfohlen, das die Machenschaften der Futtermittelindustrie aufdeckt). Vergiftungen sind bei gut gefütterten Kaninchen sehr selten; sie können sich jedoch, wenn, dann genauso am Heu wie an Frischfutter oder Gemüse vergiften. Wiesengrün ist nicht gefährlicher als Heu und Gemüse oder fertige Kaninchenfutter. Die beste Vorbeugung ist eine Fütterung, die dem Kaninchen immer Ausweichmöglichkeiten bietet, so dass es das vergiftete Futter nicht zwingend fressen muss, sondern es liegen lassen und etwas anderes fressen kann (Ad libitum-Ernährung).
Pflanzenbestimmung für Sammel-Einsteiger
46. „Heubrösel aus der Heutüte sind gefährlich für Kaninchen.“
Gewarnt wird vor Verdauungsproblemen, die durch diese „Brösel“ auftreten sollen. Bei den Bröseln handelt es sich meist um die feineren Bestandteile, d.h. vor allem Blätter und alle feineren, ungestielten Pflanzen. Kaninchen selektieren in der Natur genau diese Bestandteile und lassen Stiele (das normale Heu) liegen. Warum sollten diese Pflanzen getrocknet zu Verdauungsproblemen führen? Tun sie nicht, wie tausende Kaninchenhalter, die Trockenkräuter verfüttern, beweisen. Denn Trockenkräuter sind auch nichts anderes. Eine Gefahr von diesen Krümeln geht nur aus, wenn die Kaninchen fast nur mit Heu ernährt werden und sich heißhungrig auf die Brösel stürzen. Ein gesund ernährtes Kaninchen mag die Krümel zwar oftmals ganz gerne, aber es wird nicht ausgehungert über sie herfallen. Egal, was das Kaninchen herunter schlingt: Wenn Kaninchen schlingen, kommt es zu Verdauungsproblemen. Aus diesem Grund reagieren manche Kaninchen auf Gemüse, Frischfutter, Heubrösel usw. „allergisch“. Beim Schlingen wird weniger gekaut und große Mengen auf einmal statt stetig kleine Mengen gefressen, das widerspricht dem natürlichen Fraßverhalten der Kaninchen und somit auch ihrer Verdauungs-Physiologie.
47. „Schokolade ist für Kaninchen giftig!“
Nicht giftig, vielmehr ungesund, da sie einen ziemlich hohen Zuckergehalt aufweist. Der Zucker schädigt den Ablauf der Verdauung, es kommt zu Verdauungproblemen. Der Stoff, welcher Schokolade für Hunde und Katzen giftig macht, ist Theobromin.
Wie sieht es beim Kaninchen aus?
LD 50 Kaninchen: s.c. 1000mg/kg
Jetzt kann man einen Vergleich zur Maus ziehen (hier hat man s.c. und oral): Maus: p.o. 837 mg/kg s.c. 530 mg/kg.
Das legt den Verdacht nahe, dass Kaninchen Theobromin extrem gut vertragen und nicht wie Katze und Hund an kleinen Dosen (Hund: p.o. 300 mg/kg) bereits sterben. Der Gehalt an Theobromin in Schokolade ist so gering, dass ein Kaninchen selbst bei größeren Mengen keine Theobrominvergiftung erleidet. Aber um diese Mengen Theobromin mit Schokolade in ein Kaninchen zu bekommen, würden auch Unmengen Zucker verfüttert werden. Das Kaninchen würde schneller am extremen Zuckerverzehr und seinen Folgen sterben als am Theobromin. Schokolade ist somit für Kaninchen tabu, aber nicht wegen der Gefahr einer Vergiftung, sondern weil es die Verdauung schädigt und ungesund ist.
48. „Knollengemüse ist ein Dickmacher und extrem kalorienreich!“
Knollengemüse ist kein absoluter Dickmacher. Oft wird dazu geraten, Knollengemüse wie Karotten, Rote Beete oder Knollensellerie bei dicken Tieren zu streichen, um sie auf Diät zu setzen. So eine Maßnahme ist nicht sinnvoll, denn Knollengemüse ist im Verhältnis zur natürlichen Nahrung (Wiesenkräuter) nicht kalorienreich. Wie man Kaninchen erfolgreich, gesund und sinnvoll abspeckt, kann hier nachgelesen werden: Übergewicht beim Kaninchen
49. „(Knollen)Gemüse enthält extrem viele Kohlenhydrate (Zucker, Stärke), welche die Darmflora ins Ungleichgewicht bringen! Deshalb müssen Kaninchen mit Heu und Wiese ernährt werden und dürfen nicht größere Mengen Gemüse erhalten.“
Gemüse ist eher arm an Kohlenhydraten, denn Kaninchen fressen in der Natur eine deutlich kohlenhydratreichere Kost! Auch Heu ist nicht arm an Kohlenhydraten.
50. „Kaninchen können nur einheimische Pflanzen selektieren, weil sie exotische Pflanzen nicht erkennen.“
Dies ist eine der kreativsten Ernährungs-Mythen. Deshalb wird oft argumentiert, dass Kaninchen nur Sachen aus der Natur und Heu zu fressen bekommen dürften. Wie Kaninchen dann das Heu „erkennen“, bleibt allerdings offen, denn es ist ja auch kein Naturprodukt. Kaninchen selektieren nicht, indem sie eine Karotte oder einen Löwenzahn sehen und denken: „Ah, das ist eine Möhre, da darf ich 86g von essen“, also die Pflanze „erkennen“, sondern indem sie mit ihrem Geschmacks-, Tast- und Geruchssinn das Fressen untersuchen (beschnuppern, Probebiss…) und bei späterem Kontakt mit der Pflanze den Geruch usw. wieder erkennen. Anhand der Sinneswahrnehmungen können sie das Futter einschätzen, egal woher es kommt. Zudem gibt es auch Wildkaninchen in tropischen Gebieten, diese Kaninchen selektieren auch erfolgreich die Pflanzenwelt in diesen Breitengraden. Kaninchen haben sich mittlerweile über die gesamte Erde ausgebreitet und auch in völlig neuen Gebieten mit abweichender Vegetation erfolgreich selektiert. Wer dieses Argument einsetzt, hat das ganze Prinzip der Selektion noch nicht verstanden, daher sei ihm dieser Text noch einmal nahe gelegt: Selektion der Nahrung beim Kaninchen.
51. „Es gibt nur eine richtige Ernährung, und zwar MÜSSEN Kaninchen so gefüttert werden…!“
Mich fasziniert seit einiger Zeit besonders im Internet, dass die Ernährung von Kaninchen oftmals so einseitig mit Regeln, Normen und Gesetzen festgehalten wird. Früher hies es „Heu, Heu und nochmals Heu“, heute wird Heu fast verteufelt und es heißt nun „ad libitum und nichts anderes“. Ernährung ist vielschichtig und sicherlich gibt es einige Grundsätze, die wissenschaftlich unleugbar sind und Grundlagen für die Ernährungs-Gestaltung legen. Aber trotzdem hat Ernährung wahnsinnig viele Gesichter und ist dann ideal, wenn sie zu den gehaltenen Kaninchen und dem Lebensstil des Halters passt. Jedes Tier und jeder Halter ist individuell und gerade dadurch wird Ernährung vielschichtig beeinflusst. Das eine Kaninchen braucht unbedingt rund um die Uhr ein vielfältiges Futterangebot, ein anderes kommt mit durchgängig 2 Gemüsesorten und zwei Mahlzeiten, bei denen noch andere Sorten gefüttert werden, zurecht. Der eine hat die Möglichkeit, Kräuter anzubauen, der andere nicht. Der wichtigste Punkt bei der Ernährung von Kaninchen ist, sie zu beobachten und die Ernährung anzupassen. Auch, wenn Möhren allgemein traumhaft verträglich sind, kann es Tiere geben, die diese nicht ideal vertragen. Für sie kann dann eine andere Ernährung ideal sein als für andere Kaninchen. Ich möchte dazu aufrufen, die eigenen Kaninchen zu beobachten und sich auf Neues einzulassen, um behutsam auszuprobieren, was die ideale Ernährung für die eigenen Langohren ist, und weg von allen Ideologien, „Grundsätzen“ und festgefahrenen Ansichten zu gehen. Ich empfehle, Informationen immer kritisch, aber offen zu lesen – auch die Kaninchenwiese – und sich an verschiedenen Informationsquellen zu informieren.
52. „Wildkaninchen fressen im Winter vor allem Heu als Hauptnahrung und keine frischen Pflanzen“
Das Wildkaninchen im Winter nur „Heu“ oder „karge Kost“ essen wird oft verbreitet, ist jedoch nicht ganz richtig. Der Großteil des Winters ist (je nach Winter) schneefrei, d.h. die Kaninchen haben rund um die Uhr Zugang zu Frischfutter, das sie knabbern. Bei Schnee graben und scharren sie nach Frischfutter. Aber ideal ist es natürlich trotzdem nicht, deshalb sterben im Winter mehr Wildkaninchen als im Sommer. Wir wollen aber bei unseren Hauskaninchen lieber ganzjährig eine optimale Fütterung.
Wer selber Freilaufkaninchen hält, die Zugang zur Natur und ihrer winterlichen Vielfalt haben, weiß, dass sie sich im Winter ähnlich wie ihre wilden Verwandten verhalten. Es werden unzählige Löcher in den Schnee gescharrt und die Wiese, die darunter zum Vorschein kommt, gefressen.
Außerdem graben sie Schlehen, Eicheln und andere Früchte aus, die vom Herbst unter der Schneedecke liegen, und fressen sie. Auch Rinden werden von Bäumen geschält und liegen gebliebenes Herbstlaub unter den Büschen geknuspert. Wildkaninchen machen es genauso. Im Winter ist zwar ein Teil der Wiesenpflanzen braun, aber wenn man sich die Wiesen genau anschaust, kann man viele frische, grüne Pflanzen finden, z.B. Spitzwegerich, Löwenzahn, Gräser…).
Natürlich ist das Gebuddel recht aufwändig und braucht viel Energie, deshalb magern viele Wildkaninchen im Winter ab und wenn in harten Wintern die Schneedecke zu lange geschlossen bleibt, sterben auch eine Menge Wildkaninchen an Erschöpfung, Nahrungsmangel und Krankheiten. Gerade im Winter ist die Sterblichkeit in der Natur recht hoch. Das ist auch wichtig, denn so überleben nur die Stärksten (und pflanzen sich im Frühjahr fort > natürliche Auslese).
In der Heimtierhaltung ist dieser Effekt allerdings unerwünscht.
Wir möchten, dass alle unsere Kaninchen optimal versorgt sind und keines geschwächt wird. In der Haustierhaltung benötigen wir keine natürliche Auslese durch Notzeiten. Deshalb füttern wir auch im Winter unsere Kaninchen vielseitig und gesund.
Wildkaninchen fressen übrigens auch im Winter kein Heu, wer in seiner Umgebung Wildkaninchen kennst, der lege einen Heuberg aus und beobachte ob sie an das Heu gehen. Er wird von den Wildkaninchen meist verschmäht. Denn die magere Kost, die Wildkaninchen im Winter vorfinden (Pflanzenreste unter der Schneedecke, Wurzeln, Rinde…) ist immernoch ergiebiger als Heu es ist. Im Winter gibt es in der Natur auch kein Heu, sondern viel Grünfutter und Rinden…
53. „Wiesen, auf denen Hunde ausgeführt werden, dürfen nicht als Futter-Sammelstellen genutzt werden (Krankheitsübertragung über Hundekot).“
An vielen Stellen im Internet wird vor Wiesen gewarnt, auf denen Hunde ihr Geschäft verrichten. Solche Wiesen sind jedoch meist relativ unbedenklich im Vergleich zu Wiesen, auf denen Wildkaninchen leben. Die meisten Erkrankungen sind wirtsspezifisch und befallen nur Hunde oder nur Kaninchen, fremde Tierarten stecken sich bei diesen Erkrankungen kaum bis gar nicht an. Eine Wiese, auf der Wildkaninchen (oder kranke Hauskaninchen) leben, birgt die reale Gefahr, dass dort auch Erreger kursieren, die man mit dem frischen Grün überträgt. Deshalb ist es wichtig, sich vor dem Pflücken aus der Natur über Impfungen zu informieren und vor jeder Impfung und bei Verdacht eine Kotprobe auf Würmer und Kokzidien testen zu lassen.
Hundekot ist hingegen relativ unbedenklich, sofern man nicht direkt das Gras unter dem Haufen mitnimmt sondern etwas Abstand hält.
54. „Winterspeck ist, wenn überhaupt, nur bei Kaninchen nötig, die den Winter draußen verbringen. Bei Innenkaninchen sollte diese Gewichtszunahme verhindert werden!“
Auch Kaninchen, die in der Wohnung ihr Zuhause haben, haben meist jahreszeitliche Gewichtsschwankungen. Diese Schwankungen sind natürlich und nicht schädlich. Auch Innenkaninchen dürfen Winterspeck ansetzen sofern sie ihn im Frühjahr (April-Mai) wieder verlieren. Bedenklich ist eine solche Gewichtszunahme nur, wenn sie ganzjährig besteht.
55. „Trockenfutter darf nicht gleichzeitig mit Frischfutter gereicht werden, weil es sonst zu Verdauungsstörungen kommt.“
Oft lese ich die Empfehlung, Trockenfutter versetzt zu Frischfutter zu verfüttern. Diese Empfehlung resultiert vermutlich aus der Beobachtung, dass sich manch ein Futter nicht mit Frischfutter verträgt. Zu Unverträglichkeiten kommt es beispielsweise wenn die Verdauung durch die Trockenfutter-Fütterung bereits krank ist, wenn man zu schnell das neue Frischfutter anfüttert oder wenn das Kaninchen Zahnspitzen hat (meist auch eine Trockenfutter-Folge).
Trockenfutter kann somit durchaus zu Unverträglichkeiten beim Frischfutter führen (Zahnspitzen, angeschlagene Verdauung), dies umgeht man jedoch nicht wirklich durch die getrennte Fütterung. Wichtig wäre vielmehr, das Frischfutter langsam anzufüttern und bei auftretenden Unverträglichkeiten langsamer vorzugehen oder eine Kotprobe und die Zähne kontrollieren zu lassen. Wenn das Trockenfutter extrem schlecht verträglich ist, kann man es von heute auf morgen mit Saaten ersetzen. Diese (und andere gesunde Trockenfutter wie z.B. Trockenkräuter) vertragen sich problemlos mit Frischfutter.
56. „Kaninchen aus schlechter Haltung, aus Innenhaltung oder die nicht auf der Wiese aufgewachsen sind, sind unfähig zu selektieren“
Pauschal unfähig sind Kaninchen dieser Herkunft und Haltungsform nicht. Kaninchen müssen jedoch langsam an das Selekieren der Nahrung herangeführt werden und auch eine artgerechte Haltung ist Voraussetzung. Wenn sie langsam an eine artgerechte, vielfältige Ernährung mit Pflanzen herangeführt wurden und gut gehalten werden, können sie nach kurzer Zeit ebenfalls selektieren. Selektionsverhalten
57. „Silage ist für Kaninchen als Futter ungeeignet/gefährlich“
Silage wird in vielen älteren Büchern, die auf Erfahrungswerten basieren, als gängiges Futtermittel dargestellt. Auch heutige Kaninchenhalter, die Silange anbieten, machen positive Erfahrung damit. Wichtig ist jedoch, dass Silage auch Mängel aufweisen kann (durch falsche Herstellung und/oder Lagerung), in diesen Fällen kann es durchaus zu Unverträglichkeiten kommen.
58. „Gewichtsschwankungen deuten auf eine Krankheit hin, durch regelmäßiges Wiegen kann man Krankheiten rechtzeitig feststellen“
Jahreszeitliche Gewichtsschwankungen sind recht natürlich und kein Anzeichen für Erkrankungen (z.B. eine Zunahme im Winter durch Winterspeck). Trotzdem kann es hilfreich sein, die Kaninchen zu wiegen, denn gerade starke Abnahmen, die nicht auf jahreszeitliche Schwankungen zurückzuführen sind, können ein Krankheitszeichen sein.
59. „Künstliche Vitamine sind wichtig und unbedenklich in der Kaninchenernährung“
Die artgerechte Ernährung kann nicht durch ein Trockenfutter mit Vitaminvormischungen ersetzt werden, es gibt mehr als 100 weitere Stoffe, die für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kaninchen wichtig sind und über die Nahrung aufgenommen werden. Das heißt: Eine artgerechte Ernährung ist unabhängig von zugesetzten Vitaminen unumgänglich.
Und wenn man nun sowieso artgerecht ernährt, braucht man im Gegenzug keine synthetischen Vitamine. Wenn man nun nicht artgerecht ernährt, sind künstliche Vitamine vielleicht „besser als gar nichts“ aber so eine Ernährung kann ich nicht empfehlen.
Warum ist es nun besser, den Bedarf natürlich zu decken als über synthetische Vitamine?
- Chemisch sind künstliche und natürliche Vitamine nicht identisch, z.B.
Natürliches Vitamin E: RRR-a- Tocopherol = d-a- Tocopherol
Synthetisches Vitamin E: all-rac-a- Tocopherol = d,l-a- Tocopherol - Die volle Wirkung entfalten Vitamine nur wenn sie in die ganzen Begleitstoffe der Pflanze eingebunden sind, sie haben dann eine deutlich positivere Wirkung auf die Gesundheit als synthetische Vitamine
- Die Stoffe, die wir als synthetische Vitamine zu uns nehmen, gibt es so in der Natur nicht. Als Vergleich könnt ihr euch vielleicht noch an euren Chemie-Unterricht erinnern. Ein Stoff hat völlig andere Eigenschaften wenn er mit einem anderen Stoff gemischt ist oder separat. So kommt Uran beispielsweise im Wasser und im Gestein vor (ungefährlich), wenn man es nun jedoch entnimmt und in seiner Reinform verwendet, sollte man damit keinen direkten Kontakt haben.
- Die Bioverfügbarkeit und Resorption ist höher als bei synthetischen Vitaminen.
- Eine Überdosis an natürlichen Vitaminen (die ja eingebunden sind in ihr Milieu in der Pflanze) ist nicht schädlich, wenn man den Stoff jedoch rein verabreicht (nicht eingebunden in ein natürliches Mileu), also z.B. synthetische Vitamine, dann ist eine Überdosis oft schädlich.
- Durch Pflanzenbegleitstoffe kommt es zu einer Verstärkung der Wirksamkeit, im synthetischen Vitamin sind diese nicht mitenthalten (z.B. erfährt das Vitamin C eine vierfache Wirkverbesserung durch Bioflavonoide)
- Die Gefahr für Allergien und unerwünschten Wirkungen ist geringer
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