Einzelhaltung
Laut einer aktuellen Studie leben gut 4% der Kaninchen in Deutschland in Einzelhaltung (Exopet-Studie 2017). Ob solche eine Haltung für Kaninchen geeignet ist, soll hier genauer geklärt werden.
Kann mein Kaninchen auch alleine leben?
- Bist du 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr für dein Kaninchen da, bis es irgendwann stirbt?
- Putzt du ihm die Ohren und schleckst ihm die Augen ab?
- Hoppelst du mit ihm herum und erkundest die Umgebung?
- Liegst du etwa sieben Stunden am Tag mit Körperkontakt an deinem Kaninchen (Kontaktliegen)?
- Kannst du die Kaninchensprache und unterhältst dich so im Alltag mit deinem Kaninchen?
- Hältst du Wache wenn dein Kaninchen schläft und klopfst, wenn ein möglicher Feind naht, so dass sich dein Kaninchen beim Schlafen richtig entspannen kann, weil es weiß, dass du aufpasst?
Wenn du diese Frage nicht bejahen kannst, braucht dein Kaninchen einen Artgenosse. Ein Mensch kann diesen niemals ersetzen.
„Kaninchen brauchen zum Wohlfühlen und für die gegenseitige Körperpflege die Gesellschaft mindestens eines weiteren Kaninchens, auf keinen Fall aber ein Meerschweinchen.“
Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V.
Bedenke
Auch wenn du vier Stunden am Tag dich intensiv mit deinem Kaninchen beschäftigst, ist es immer noch 20 Stunden jeden Tag alleine und einsam. Das entspricht 600 einsamen Stunden im Monat und 57.600 in einem ganzen Kaninchenleben. Auch gute Pflege und viel Beschäftigung können leider kein anderes Kaninchen ersetzen. Entscheide dich daher für ein zweites Kaninchen, um deinem Kaninchen ein glückliches Leben zu ermöglichen. In Österreich und der Schweiz ist die Einzelhaltung von Kaninchen übrigens bereits verboten, in Deutschland wird eine neue gesetzliche Regelung angestrebt. Das Tierschutzgesetz schreibt jedoch für sozial lebende Tiere eine Haltung mit Artgenossen vor, damit diese ihre Bedürfnisse nach Sozialkontakten ausleben können.
„Kaninchen sind gesellige Tiere, die naturgemäß in Familienverbänden leben. Daraus ergibt sich, dass eine Einzeltierhaltung per se nicht artgerecht ist. Viele Verhaltensweisen des Kaninchens sind auf das Zusammenleben in der Familie ausgerichtet. Soziale Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern ergeben sich teils aus angeborenen Verhaltensweisen, teils aus individuellen Erfahrungen und Lernprozessen, die erst allmählich zu Verhaltensnormen heranreifen.“
Birgit Drescher, Tierärztin
Was wissenschaftliche Studien uns über die Einzelhaltung verraten
Allein lebende Kaninchen bewegen sich weniger als Kaninchen in der Gruppe. Zudem fressen sie aus Langeweile, so dass es schneller zu Übergewicht kommen kann. Bei den einzelnen Kaninchen in einer Studie wurde extremes Gitternagen (und andere Verhaltens-Auffälligkeiten) festgestellt, bei den Kaninchenpaaren war es hingegen nicht bekannt. Totz diverser Rückzugsmöglichkeiten zogen es die Kaninchen vor, sich zum Artgenossen zu legen.
Gibt es unverträgliche Kaninchen?
Mir wurden schon sehr viele scheinbar unverträgliche Kaninchen vorgestellt. Bisher ist mir aber bei all diesen Kaninchen gelungen, einen passenden Partner zu finden mit dem es aufblühen konnte. Daher lautet mein bisheriges Fazit: Jedes Kaninchen kann einen Partner finden! Wer trotzdem meint, ein unverträgliches Kaninchen bei sich zu haben, der kann gerne mit mir Kontakt aufnehmen und ich werde es (voraussichtlich) erfolgreich vergesellschaften.
Oft brechen Kaninchenhalter vorzeitig die Zusammenführung ab weil es zu Kämpfen kommt. Kämpfe und Fellflug gehört jedoch zu jeder Zusammenführung dazu, anders können Kaninchen nicht ihre Rangordnung klären. Zudem versteht sich nicht jedes Kaninchen mit jedem anderen. Manchmal muss man zwei oder drei verschiedene Kaninchen ausprobieren. Meistens klappt es jedoch auf Anhieb. Weitere Gründe für eine nicht erfolgreiche Zusammenführung können falsche Kombinationen oder eine nicht artgerechte Haltung und ein ungeeigneter Ort für die Vergesellschaftung sein.
Sind Kaninchen zahmer, wenn sie alleine leben?
Je mehr man sich mit seinem Kaninchen beschäftigt, desto zahmer wird es. Das ist unabhängig von einem Artgenossen. Manchmal hilft sogar ein Artgenosse etwas auf die Sprünge, besonders sehr ängstliche und scheue Kaninchen trauen sich mit einem Partner an der Seite eher Kontakt aufzunehmen. Das Einzel-Kaninchen manchmal zahmer als andere Kaninchen sind liegt nur daran, dass sich die Halter oftmals intensiver mit ihrem einsamen Kaninchen als mit einem Kaninchen in Gesellschaft beschäftigen.
„Das wohl häufigste Problem in der Heimtierhaltung ist Eintönigkeit und damit einhergehende Langeweile. Verhaltensstörungen sind oftmals die Folge. Eine kaninchengerechte Haltung sollte deshalb – wie jede andere Tierhaltung auch – für Abwechslung und Umweltreize sorgen. Wesentlich für das naturgemäß in Sippen lebende Kaninchen ist dabei der Kontakt zu Artgenossen. Der Anteil des Sozialverhaltens am Gesamtverhalten beträgt bis zu 50% der gesamten Tagesaktivität. Für die Heimtierhaltung sind zwei oder mehrere gleichaltrige Kaninchen, die im günstigsten Fall frisch abgesetzt vom Muttertier als Gruppe eingesetzt werden, ideal. „
Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V.
Mein Kaninchen hat ein Meerschweinchen als Partnertier!
Leider wird immer noch in Zoohandlungen und anderorts empfohlen, ein Kaninchen zusammen mit einem Meerschweinchen zu halten, damit es nicht einsam ist. Diese beiden Tierarten sind „gemeinsam einsam“. Mehr dazu hier: Meerschweinchen und Kaninchen
Weiterführend
Wer passt zusammen?
Kaninchen erfolgreich aneinander gewöhnen
Wer sein Kaninchen nur alleine kennt dem ist kaum klar wie ein Artgenosse das Kaninchen-Leben bereichern kann… Tipp: www.nie-allein.de
Gesetzestexte zur Einzelhaltung von Kaninchen
Soziale Tiere in der Schweiz
„Tieren soziallebender Arten sind angemessene Sozialkontakte mit Artgenossen zu ermöglichen.“
Tierschutzverordnung (TSchV) vom 23. April 2008 (Stand am 1. April 2011)
Soziale Tiere in Österreich
„Wer ein Tier hält, hat dafür zu sorgen, dass […]die Möglichkeit zu Sozialkontakt unter Berücksichtigung der Art, des Alters und des Grades der Entwicklung, Anpassung und Domestikation der Tiere ihren physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen sind.“
Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG)§ 13, Abs. 2, TschG
Soziale Tiere in Deutschland
„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen
2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden
3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“
Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch
Artikel 20 des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1934) geändert worden ist.§ 2, TschG
Sozial lebende Tiere (und dazu gehören Kaninchen unbestreitbar) haben das Bedürfnis mit Artgenossen zusammen zu leben. So urteilte auch das Verwaltungsgericht Trier (AZ: 6 K 1531/13.TR), das darüber entscheiden musste, ob das Veterinäramt einem Eselhalter vorschreiben darf, dass er einen zweiten hält. Ja, das darf es, denn die Einzelhaltung erfüllt nicht den Anspruch einer Haltung nach den Bedürfnissen des Esels (§2 TschG).
Demnach ist die Einzelhaltung im allgemeinen Tierschutzgesetz für sozial lebende Tiere verboten.
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) gilt mit ihren Merkblättern als Fachgemium zur Auslegung und Konkretisierung des §2 TschG und wird von Amtsveterinären und auch ggf. vor Gericht als fachliches Gutachten herangezogen. Sie gibt in ihrem Merkblatt an, dass eine Einzelhaltung für Kaninchen generell ungeeignet ist.
Mastkaninchen
„Mastkaninchen dürfen nicht einzeln gehalten werden. Abweichend von Satz 1 ist eine Einzelhaltung zulässig, wenn gesundheitliche oder verhaltensbedingte Gründe bei einem Kaninchen dies erfordern. […] Haltungseinrichtungen müssen so beschaffen sein, dass Mastkaninchen, die nach § 36 Absatz 1 Satz 2 einzeln gehalten werden, andere Kaninchen sehen, riechen und hören können.“
Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – TierSchNutztV – §36 (1) und §33 (2)
Versuchskaninchen
„Das Kaninchen (Oryctolagus cuniculi) ist von Natur aus ein Gruppentier. […] Jungtiere und Weibchen sollten in harmonischen sozialen Gruppen untergebracht werden. Eine Einzelunterbringung sollte nur dann erfolgen, wenn dies aus veterinärmedizinischen oder tierschützerischen Gründen gerechtfertigt ist. Die Einzelunterbringung aus experimentellen Gründen sollte nur in Absprache mit dem Zootechniker und dem Tierschutzbeauftragten erfolgen. Ausgewachsene unkastrierte Männchen können Revierverhalten zeigen und sollten nicht zusammen mit anderen unkastrierten Männchen untergebracht werden. Ausgestaltete Bodenbuchten werden erfolgreich für die Unterbringung junger Kaninchen und ausgewachsener Kaninchenweibchen eingesetzt. Bei Gruppen sollte jedoch darauf geachtet werden, dass keine Aggressionen aufkommen. Am besten geeignet für die Gruppenhaltung sind Wurfgeschwister, die seit dem Absetzen zusammen gehalten werden. Können einzelne Tiere nicht in Gruppen gehalten werden, so sollte auf eine Unterbringung mit nahem Sichtkontakt geachtet werden.“
Verordnung zu der Annahmeerklärung vom 15. Juni 2006 über die Änderung von Anhang A des Europäischen Übereinkommens zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere
Weiterführend:
Ist Einzelhaltung für Kaninchen gesetzlich erlaubt?
Chu, L., Garner, J.P. and Mench, J.A. (2003): A behavioural comparison of New Zealand White rabbits (Oryctolagus cuniculus) housed individually or in pairs in conventional laboratory cages. Applied Animal Behaviour Science , 85, 121–139.
Drescher, B. and Loeffler, K. (1991): Einfluss unterschiedlicher Haltungsverfahren und Bewegungsmöglichkeiten auf die Kompakta der Röhrenknochen von Versuchs – und Fleischkaninchen. Tierärztliche Umschau, 46, 736–741.
Drescher, B. and Loeffler, K. (1991): Einfluss unterschiedlicher Haltungsverfahren und Bewegungsmöglichkeiten auf die Kompakta der Röhrenknochen von Mastkaninschen. Tierärztliche Umschau, 47, 175–179.
Gunn, D. and Morton, D.B. (1995): Rabbits. In: Environmental Enrichment Information Resources for Laboratory Animals 1965‐1995 ( No. 2). Eds Smith, C.P. and Taylor, V., pp. 127–143. DIANE Publishing, USA.
Gunn, D. and Morton, D.B. (1995): Inventory of the behaviour of New Zealand White rabbits in laboratory cages. Applied Animal Behaviour Sciences, 45, 277–292.
Held, S. D. E., Turner, R. J., & Wooton, R. J. (1995): Choices of laboratory rabbits for individual or group-housing. Applied Animal Behaviour Science, 46(1-2), 81-91.
Huls, W. L., Brooks, D. L., & Bean-Knudsen, D. (1991): Response of adult New Zealand white rabbits to enrichment objects and paired housing. Laboratory Animal Science, 41(6), 609-612.
Lehmann, M. (1989): Das verhalten junger Hauskaninchen unter verschieden Umgebungsbedingungen. Universität Bern.
Metz, J.H.M. (1984): Effects of early handling in the domestic rabbit. Applied Animal Ethology
, 11, 71–87.
Podberscek, A.L., Blackshaw, J.K. and Beattie, A.W. (1991): The behaviour of group penned and individually caged laboratory rabbits. Applied Animal Behaviour Science
Wallace, J., Sanford, J., Smith, M.W. et al. (1990): The assessment and control of the severity of scientific procedures on laboratory animals. Report of the Laboratory Animal Science Association Working Party. Laboratory Animals, 24, 97–130., 28, 353–363.