Anatomische Besonderheiten beim Kaninchen (Oryctolagus cuniculus f. domestica)

Skelett

  • Skelett nur ca. 6-7% des KGW,
    > Rodentia mehr Brüche
  • lange Röhrenknochen fein, dünne Kortikalis
    > Brüche (z.B.Abwehrbewegungen)
  • Stark gewinkelte Hglm
    > Verbände, viel Gewicht auf Hglm
  • Brüchige, spröde Knochen
    > Splitterbrüche
  • Cavum pectoris sehr eng und klein, Rodentia größer
    > Herz, Lunge
  • Zehen 5 (hinten 4), Rodentia 4 (hinten 3)
  • Vorderpfoten zum Laufen, Rodentia gezieltes Greifen (außer MS)
  • Wirbel 7 C, 12 T, 7 L, 4 Sa, 16 Sch –
    Rod. 7 C, 13–14 T, 6 L, 3–4 Sa, 7– 6 Sch
  • Sternumrippen 7, Rod. 6–7
  • 10.–12./13. Rippen enden frei als Fleischrippen
  • Acromion > Processus suprahamatus (vgl. Katze)
  • Clavicula, welches mit dem Sternum und dem Acromion artikuliert.
  • Radius und Ulna starr aneinander, nicht beweglich
  • Os femoris des Kaninchens mit kräftigen Trochanter tertius 
  • Tibia und Fibula unbeweglich, ab dem mittleren Drittel miteinander verschmolzen
Gründe Linie: Der Verlauf des Tränennasenkanals vom Tränenpunkt am Auge bis in die Nase. Braun: nicht sichtbarer Teil der Zähne. Der Tränennasenkanal verläuft sehr dicht an den Wurzeln der Zähne (orangene Pfeile), so dass Erkrankungen des Oberkiefers (retrogrades Zahnwachstum, Kieferabszesse…) oftmals nur durch Nasen- oder Augenausfluss sichtbar werden.

Schädel

  • Maxillae netzartig durchbrochen
  • Os interparietale (≠ MS)
  • Canalis opticus verbindet Orbitae

 Träennasenkanal (Ductus nasolacrimalis)

  • Tränendrüsen:Tränendrüse (Gl. lacrimalis), Akzessorische Tränendrüse (Gl. lacrimalis accessoria), Harder-Drüse (Gl. membranae nictitantis profunda), Nickhautdrüse des dritten Augenlides (Gl. membranae nictitantis superficialis)
  • Ductus nasolacrimalis: nur 1 Tränenpunkt
  • Erkrankungen des Tränennasenkanals
    > Zähne (tränende Augen, Nasenausfluss)

Zähne (Dentes)

  • Zahnformel 2033/1023
  • Stiftzähne hinter den Incisivi (Dentes incisivi minores)
  • großes Diastema
  • wurzellose Zähne
  • Mit 3-5 LW bleibendes Gebiss mit 28 Zähnen vollständig
  • Kiefergelenk = Schlittengelenk
    > sagittale Kaubewegungen wie eine liegende 8

Festes Gebiss:

OK: I1 I2 P2 P3 P4 M1 M2 M3
UK: I1 P3 P4 M1 M2 M3 = 28 Zähne

Milchgebiss:

OK: I1 i2 p2 p3 p4
UK: I1 i2 p2 p3 p4
I1 bereits gewechselt, nach 3 – 5 Wochen vollständiges Ersatzgebiss


Maulraum (Cavum oris)

  • Großes Diastema zwischen I und und P
  • behaarte Lippenhaut als Inflexum pellitum ragt behaart weit in das Innere der Mundhöhle (Pili vestibulares > Haare im Maul), es bildet zwei Wülste, die sich im Maulraum im Diastema berühren, so dass sich die Maulhöhle in den vorderen Nageraum und hinteren Kauraum unterteilt
  • Zunge: Torus linguae
  • langes Gaumensegel
  • eine Papilla foliata und eine Papilla vallata 

Auge (Oculus)

  • Bulbus oculi größer als bei Hd/Kz. und ragt relativ weit über den Orbitalrand vor (sagittale Augendurchmesser ca. 17,5 mm, horizontaler ca. 19 mm)
  • Neben üblichen extraokularen Muskeln beim Kan. zusätzlich M. depressor palpebrae inferioris sowie einen kräftigen M. retractor palpebrae tertiae, der sich vom M. levator palpebrae superioris vor dessen Insertion im Oberlid medialwärts abspaltet und am äußeren Rand der Nickhautbasis seinen Ansatz hat.
  • Meibom-Drüsen
  • N. opticus setzt tiefer an

Quellen:
Augenheilkunde. Walde I, Nell B, Schäffer E, Köstlin R, Hrsg. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Schattauer GmbH; 2008. doi:10.1055/b-005-148995

Ohr (Auris)

  • Enger, langer Gehörgang
    > Trommelfell bei hängenden Ohren nicht einsehbar, bei Stehohren teils einsehbar
  • Widderkainchen: fehlender Knorpel führt zu Knick im Gehörgang, dadurch proximaler Gehörgang nicht einsehbar
  • Cerumen und Eiter beim Kaninchen nicht makroskopisch, nur mikroskopisch unterscheidbar

Herz-Kreislauf-System

  • Herzfrequenz 180- 250 Schläge/Minute
  • Herz ist sehr klein
  • Atrioventrikularklappe rechts hat nur zwei Klappen
  • Kaninchenherzen haben ein einfaches Erregungsleitungssystem
  • Vena jugularis externa als Hauptgefäß des Blutrückflusses vom Kopf
  • Blutvolumen: 55-70 ml/kg

> Kaninchen sind schockanfällig!

Respirationstrakt

  • Nasenatmer! – Larynx hoch im Oropharynx → direkte Kommunikation Nasopharynx
  • Hoher Sauerstoffbedarf → Modifikationen Atmung – Bewegliche Thoraxwand – Hohes Atemvolumen (Atemzugvolumen 4-6-10ml/kg) – Niedriges residuales Lungenvolumen – Mehr Lungenbläschen mit geringerem Durchmesser – Kürzere Luftwege – Höhere Atemfrequenzen (30-60/min)
  • Atmung in Ruhe v.a. über Kontraktion Zwerchfell, nicht Zwischenrippenmuskeln!
  • lange Zunge, kleine Glottis, schmaler Oropharynx und Laryngospasmen
    → Cave Laryngospasmen, Narkose/Intubation
  • Thorax im Vergleich Abdomen sehr klein
  • Vergleich Wildkaninchen Organgewicht Lunge um 39% reduziert
    → verminderte O2 Kapazität, Stressanfälligkeit, Schock
  • Lunge in kraniale, mittlere und kaudale Lungenlappen
    unterteilt
  • Keine Septen, die Lungenläppchen unterteilen
    → ganze Lappen können ausfallen (abszedieren etc.)

Magen (Ventriculus)

  • Ventriculus einhöhlig, 50-150ml
  • sehr dünne Tunica muscularis, kaum Peristaltik,
    > kaum Peristaltik
    > Aufgasungen bei Inappetenz,
    > kein Erbrechen möglich
  • pH 1-2 (annähernd steril), Jungtiere höher
    > Jungtiere anfälliger f. bakterielle Infektion
    > Darmbakterien über Caecotrophe der Mutter

Darm

  • Langes Duodenum
    > Verdauung und Absorption von Zuckern und Proteinen aus dem Futter + Vitaminen aus Blinddarmkot
  • Jejunum
    > Ileum relativ lang
  • Caecum (bis zu 1/3 des Bauchraums) mit Separationsmechanismus (nach
    Partickelgröße)
    > Fermentationskammer (Zellulose, Proteine → flüchtige Fettsäuren); Mikrobielle
    > Aufschließung von Rohfaseranteilen
  • Kolon:
    Keine Tänien und Poschen, Fusus coli (Kolonspindel) unterschiedliche Kontraktionen
    > harter und weicher Kot

Leber

  • 4 Lappen: Lobus hepatis dexter (lat. u. med.), Lobus quadratus, Lobus caudatus
  • Aufhängung an Hilusregion
    > Lebertorsion möglich

Pankreas

  • Klein, diffus, unregelmäßig
  • Im Gekröse des Duodenums
  • Mündung Ductus pancreaticus im distalen Duodenum

Nieren

  • die rechte liegt weiter kranial, einwarzig
  • alkalischer Urin (pH 7,5-9)

Geschlechtsorgane

  • Uterus duplex mit jeweils eigener Zervix
    > Superfötation
  • In Caput und Cauda epididymidis sind große Fettkörper eingelagert
  • Im Gegensatz zum Meerschweinchen kein Penisknochen

Lymphatische Organe

  • Thymus auch bei adulten Kaninchen recht groß, bildet sich kaum zurück
    > cranial des Herzens
  • Milz klein, dunkelrot > an Curvatura major
  • Lymphoides Gewebe: Tonsillen (keine Tonsillen im Rachen), Sacculus rotundus, Appendix, Peyer-Drüsen Dünndarm
  • Nebennieren kraniomedial der Niere (links: kaudolateral der
    Arteria mesenterialis – rechts: neben Vena cava caudalis) > kontrollieren Caecotrophe
Lymphknoten mit orangen Punkt sind beim gesunden Kaninchen tastbar.

Lymphknoten

  • Physiologisch palpierbar:
    – Submandibuläre oder zervikale Lnn
    – Axillare Lnn bei mageren Kaninchen

Quellen:

Baumgartner, W. (2009): Klinische Propädeutik der Haus-und Heimtiere. Georg Thieme Verlag
Soto‐Miranda, M. A., Suami, H., & Chang, D. W. (2013): Mapping superficial lymphatic territories in the rabbit. The Anatomical Record, 296(6), 965-970 [29.10.19, https://anatomypubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ar.22699?fbclid=IwAR0iOtW6qK 97TszkI-j3BPy0aF6NImNYjn_8bADRVoa5fPiOL_OwiksK8B4&]

Drüsen

  • Anal- und Inguinaldrüsen
  • Territorialmarkierung
    (Kotplätze), Sozialverhalten
    (Erkennen von Artgenossen),
    Sexualität/Fortpflanzung
  • Drüsen am Kinn (ab
    Geschlechtsreife).
    Ranghöhere Männchen bzw.
    Rammler entwickeln größere
    Kinndrüsen als rangniedere
    (unabhängig von Alter und
    Körpergewicht)
  • Hardersche Drüse
    (Tränendrüse) rudimentär

Fellwechsel

Fell/Haarkleid

  • Zum Schutz vor Verfilzungen, Nässe, Schmutz und Abrieb, bilden Kaninchen Grannen- und Leithaare über der Unterwolle.
  • Die Deckhaarschicht kann durch einen Muskel aufgestellt werden, so dass die Wärmeisolation größer ist.
  • Bei Normalhaarkaninchen sind die Grannen- und Leithaare auf Grund des schnellen Wachstums etwa 10-15mm länger als die Unterwolle.
  • Rexkaninchen haben diesen Vorteil nicht. Durch die verkürzte Deckhaarschicht geht ihre Funktion verloren und sie sind wetteranfälliger, zudem ist die Wärmeisolation erschwert. Rexkaninchen können nur in Außenhaltung leben, wenn ein sehr großer Teil des Geheges überdacht ist, der Auslauf kann jedoch unter freien Himmel sein.

Weiterführende Literatur

O’Malley, B. (2008). Klinische Anatomie und Physiologie bei kleinen Heimtieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien. Elsevier, Urban&FischerVerlag

Popesko, P., V. Rajtova, and J. Horak (1992). Anatomy of Small Laboratory Animals, Vol. I. Rabbit – Guinea pig. Saunders.

Barone, R. (1973): Atlas d’anatomie du lapinMasson & C Editeurs, Boulevard Saint-Germain

Salomon F, Geyer H, Gille U, Hrsg. (2020): Anatomie für die Tiermedizin. 4., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2020. doi:10.1055/b-007-168897