Narkosen sind bei Kaninchen mittlerweile Alltag, viele Kaninchenhalter kommen mit ihr in Berührung, z.B. bei einer Kastration oder Behandlung. Da Kaninchen sehr besondere Narkose-Patienten sind, ist dabei einiges zu beachten, damit die Narkose sicher ist. Da sich einige Halter gewünscht haben, in das Thema fachlich etwas weiter Einblicke zu erhalten und so z.B. einen Tierarzt zu finden, der eine sichere Narkose durchführt, möchte ich es hier etwas detaillierter ausführen und erklären.

Das Narkoserisiko

Sobald ein Tier in Narkose gelegt wird, besteht ein Narkoserisko, das bei gesunden Tieren und kleineren Routine-Operationen für geübte, kaninchenkundige Tierärztinnen bzw. -ärzte ziemlich gering ist. Ein höheres Risiko haben kranke Kaninchen (z.B. mit Herzerkrankungen) und geschwächte Tiere. Je nach Operation kann das Risiko ebenfalls höher oder geringer sein. Die Narkoseform und die Erfahrung der Tierärztinnen und -ärzte mit der Narkotisierung und Operation von Kaninchen, hat ebenfalls einen Einfluss.

Studienlage (Brodbelt et al 2008)

Eine Studie an 8.209 Kaninchen gibt einen guten Überblick über das Narkoserisiko:

Ein Kaninchen von 72 verstirbt während oder nach der Narkose oder Sedierung (das entspricht 1,39%, auch schwer kranke Tiere mit eingerechnet). Eines von 1:137 Kaninchen (also 0,73%) verstirbt bei gesunden Kaninchen (z.B. Kastrationen). Das Narkoserisiko ist bei schwerst kranken Kaninchen Kaninchen (z.B. Magen-OP bei Verschluss) 10x höher als beim gesunden Kaninchen.

An einer Sedierung sterben im Schnitt nur halb so viele Kaninchen, wie an einer Vollnarkose.

Der Großteil der Kaninchen verstirbt nicht während, sondern nach der Operation (64%), z.B. in der Aufwachphase.

Das Narkoserisiko ist beim Kaninchen knapp 6x höher als bei der Katze und 8x höher als beim Hund.

Spreche im Voraus mit dem Tierarzt bzw. der Tierärztin über das Narkoserisko, mögliche Alternativen zur Operation und den Erfolgs-Aussichten der OP.

Checkliste für eine sichere Narkose

Ein Venenzugang am Ohr erhöht die Sicherheit und Verträglichkeit der Narkose.
  • Abwägung des Narkoserisikos durch eine vorherige gründliche Allgemeinuntersuchung und ein Blutcheck (Leber, Niere, Elektrolyte, …). Ein Blutcheck ist zwingend erforderlich bei älteren Kaninchen, Kaninchen mit EC positiven Titer, Kaninchen die übergewichtig sind, Kaninchen die in letzter Zeit abgenommen haben, Tiere mit Blasengries sowie Kaninchen mit erniedrigter Körpertemperatur, Durchfall oder dehydrierte Kaninchen. Dadurch kann das Narkoserisiko besser eingeschätzt werden (je nach OP-Grund, geht man dieses eher ein, oder auch nicht) und die OP-Technik angepasst werden (z.B. andere Dosierungen und andere Narkosemittel bei schlechten Leberwerten).
    ASA-Klassifikation:
    ASA 1: Gesundes Kaninchen (z.B. Kastration) (geringes Narkoserisiko 0,7 von 100 Kaninchen)
    ASA 2: Kaninchen mit leichter Allgemeinerkrankung
    ASA 3: Kaninchen mit schwerer Allgemeinerkrankung (intravenöse Infusion vor der OP zwingend erforderlich, 10-mal höheres Narkoserisiko)
    ASA 4: Kaninchen mit schwerer Allgemeinerkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung darstellt (intravenöse Infusion vor der OP zwingend erforderlich, 10-mal höheres Narkoserisiko)
    ASA 5: totkrankes Kaninchen, das ohne die Operation voraussichtlich den nächsten Tag nicht überleben wird (intravenöse Infusion vor der OP zwingend erforderlich, 10-mal höheres Narkoserisiko)
    E: akut krankes Kaninchen (Notfall, z.B. Ileus, Leberlappentorsion, intravenöse Infusion vor der OP zwingend erforderlich, 10-mal höheres Narkoserisiko)
  • Stressarme Narkosevorbereitung für Kaninchen: Die meisten Narkosezwischenfälle entstehen dadurch, dass ein Kaninchen gestresst mal eben nebenher in Narkose gelegt wird! Je mehr Stress Kaninchen ausgesetzt sind, desto mehr Narkosemittel wird benötigt. Dadurch steigt das Narkoserisiko enorm. Deshalb sollten die Kaninchen vor der Operation in Ruhe “ankommen” und in einem Raum ohne Raubtiere (Hunde, Katzen) untergebracht werden. Im Idealfall bekommen sie ein eigens eingerichtetes Gehege und eine frühzeitige Schmerzmedikation um in Ruhe in die Narkose zu starten.
  • Eine sichere Narkoseform damit das Kaninchen nicht verstirbt: Kaninchen sind sehr empfindlich und haben ein extrem hohes Narkoserisiko. Durch die richtige Narkoseform wird es gesenkt. Sicher für Kaninchen sind Gasnakrosen, die mit einer Injektionsnarkose eingeleitet werden (keine reinen Gasnarkosen!). Injektionsnarkosen mit Aufhebungsspritzen (VAA) werden beim Kaninchen (im Unterschied zu Meerschweinchen und Kleinnagern) als unsicherer eingestuft, sie sollten nur mit Beatmungsmöglichkeit, sehr guten Narkosemanagement und zusätzlicher Sauerstoffgabe über die Nase verwendet werden. Werden sie angewendet, muss eine Möglichkeit der Beatmung vorhanden sein sowie ein sehr gutes Narkosemanagement (am besten mit Sauerstoff!). Reine Injektionsnarkosen ohne Aufhebungsmöglichkeit oder mit teilweiser Aufhebung sind nur als Kurznarkose bei gesunden Kaninchen denkbar und auch nur dann, wenn Monitoring und eine Möglichkeit der Beatmung gegeben sind. Sie können jedoch zur Einleitung verwendet und durch eine Gasnarkose und Schmerzmedikamente aufrecht erhalten werden.
  • Fähigkeiten des Tierarztes bzw. der Tierärztin zu Kaninchen: Im Studium werden Kaninchen kaum durchgenommen. Besucht Ihre Tierärztin bzw. Ihr Tierarzt Fortbildungen für Kaninchen? Liest er/sie sehr viel Fachliteratur und steht er auf der DVG Kleinsäuger Liste? Gibt er/sie Heimtiere (nicht Kleintiere = Hund und Katze!) als Praxisschwerpunkt an? Kaninchenkundige Tierärztinnen und -ärzte
  • Überwachung der Narkose um bei Zwischenfällen das Tier vor dem Tod zu retten: Eine zweite Person überwacht während der Narkose Temperatur, Puls, Atmung, Reflexe etc. (dafür sind spezielle Geräte erforderlich, die für kleine Heimtiere geeignet sind, nicht jede Tierarztpraxis hat diese) und stellt frühzeitig Abweichungen fest, so dass das Narkosemittel angepasst werden kann und tödliche Zwischenfälle vermieden werden.
  • Sind die Mitarbeiter für Narkose-Zwischenfälle beim Kaninchen speziell geschult oder routiniert, da sehr viele Kaninchen operiert werden? Das kann Leben retten.
  • Über einen gelegten Tubus oder zumindest eine Larynxmaske (darf nicht verrutschen!) kann das Kaninchen bei Atemstillstand beatmet werden. Dafür muss die Tierarztpraxis über Geräte verfügen, die für die Beatmung von Kaninchen geeignet sind. Auch eine Sauerstoffgabe während der Operation macht die Narkose sehr viel sicherer.
  • Sterile OP, damit das Infektionsrisiko gesenkt wird: steriler Operationsraum, steriles Operationsbesteck, Einmalartikel…
  • Venenzugang: Ein Venenzugang ermöglicht eine schnellere Wirkung und Verabreichung der Narkosemedikamente und erhöht die Narkosesicherheit, da die Medikamente schneller ankommen und auch dosierter verabreicht werden können. Bei Narkosezwischenfällen können so z.B. lebensrettende Medikamente gegeben werden. Zudem kann das Tier während der Narkose an eine Infusion angeschlossen werden, was die Verträglichkeit der Narkose extrem verbessert. Kaninchen mit höheren Narkoserisiko werden auch vor der Operation infundiert.
  • Überwachung beim Aufwachen: Die meisten Todesfälle passieren nicht im OP, sondern während der Aufwachphase oder in den darauf folgenden Stunden (64%). Deshalb ist hier eine intensive Überwachung nötig, am besten mit Sauerstoffgabe. Keinesfalls dürfen “halbwache” Tiere an den Halter abgegeben werden!
  • Wärme: Kaninchen verlieren aufgrund ihrer großen Körperoberfläche besonders schnell Temperatur und kühlen in der Narkose aus. Deshalb ist ein gutes Wärmemanagement und eine ständige Überwachung der Körpertemperatur oft überlebenswichtig. Auch nach der Operation sollten die Kaninchen gewärmt werden, bis sie absolut fit sind.
Wenn du den Tierarzt fragst, ob er es günstiger machen kann…

Achtung Preisfalle!

Die Preise für Routine-Operationen können von Tierarztpraxis zu Tierarztpraxis sehr schwanken. Sie erhalten aber nicht die gleiche Leistung! Der eine Tierarzt bezahlt damit eine zweite Person und teure Geräte um das Tier zu überwachen und Zwischenfälle rechtzeitig zu erkennen. Über einen gelegten Tubus kann er es bei Atemstillstand beatmen. Er verwendet teurere, aber dafür sicherere Narkosemittel und nimmt sich Zeit, damit das Tier stressfrei in Narkose gelegt wird. Das alles kostet (Ausrüstung, Arbeitskraft, Zeitaufwand), dafür ist das Narkoserisiko aber extrem gering! Die andere Tierärztin legt das Tier mit einer billigen Narkoseform und ohne zweite Person oder Überwachung mal eben schnell in Narkose, davor wird es in der Station von einem Hund angebellt und bekommt Panik, wodurch es mehr Narkosemittel benötigt. Bei einem Zwischenfall (den er mangels Überwachung spät erkennt), kann er kaum eingreifen, durch die höhere Narkosemittel-Menge, kann das Tier schneller versterben. Häufig wird das Tier wieder nach Hause mitgegeben, noch bevor es richtig wach ist und frisst – das macht natürlich auch weniger Arbeit. War das die 20€ Ersparnis wert? Fragen Sie in erster Linie nach der Überwachung, Narkoseform und Vorgehensweise, der Preis sollte nie das Hauptkriterium sein!