Mehr als die Hälfte des Verdauungstraktes macht der Blinddarm aus. Man kann ihn sich wie eine große Gärkammer vorstellen, in dem Bakterien die Fasern verdauen.

Rohfaser spielen beim Kaninchen eine große Rolle in der Kaninchenernährung. Warum ist das so?

Kaninchen haben eine hoch spezialisierte Verdauung, die nicht nur wie bei Hund und Katze das Futter mit Enzymen aufspaltet, sondern die Anteile, die für uns Menschen unverdaulich sind, durch eine spezielle Verdauung im Blinddarm verdaut. Für diese bakterielle Blinddarmverdauung braucht es einen hohen „Rohfaseranteil“, dabei ist jedoch Rohfaser nicht gleich Rohfaser.

Wie funktioniert der Blinddarm?

Im Blinddarm siedeln sehr viele Bakterien, die auch für den Menschen unverdauliche Fasern durch bakterielle Verdauung aufspalten. So werden Fettsäuren und auch B- und K-Vitamine synthetisiert. Dieser Mechanismus ist genial, denn er ermöglicht Kaninchen, Pflanzen zu verdauen, die für Tiere ohne bakterielle Verdauung keine Nahrungsgrundlage darstellen. Der Blinddarm liefert mittels flüchtiger Fettsäuren immerhin 10-12% der Energie beim Kaninchen. Das Kaninchen scheidet nach der Weichkotphase den Blinddarmkot aus, nimmt ihn wieder auf und kann die Inhaltsstoffe so über den Dünndarm resorbieren.

Analyseverfahren

Als Rohfaser bezeichnet man den mit Schwefelsäure und Kalilauge nicht löslichen Anteil des Futtermittels, wie Zellulose, Hemizellulose und Lignin. Der Rohfasergehalt ist für Kaninchen nicht so aussagekräftig, da er verdauliche Bestandteile und unverdauliche Fasern (die wichtig für die Darmgesundheit sind) enthält.

Es gibt unterschiedliche Futtermittel-Analyse-Verfahren. Der „Rohfasergehalt“ wird durch die Weender-Analyse festgestellt. Entscheidend für die Analyse der Fasern in Kaninchenernährung ist die Van-Soest-Analyse:

  • NICHTFASER-KOHLENHYDRATE (NFC): Die Nichtfaser-Kohlenhydrate (engl. non-fibre carbohydrate, NFC) stellen die löslichen Kohlenhydrate wie Stärke, Zucker und Pektine eines Futtermittels dar. Sie werden außerhalb des Blinddarms durch Enzyme verdaut. Ein zu hoher Anteil kann dazu führen, dass NFC´s unverdaut bleiben und im Blinddarm die spezielle Bakterienflora stören.
  • NEUTRAL-DETERGENZIEN-FASER (NDF): Die Neutral-Detergenzien-Faser (NDF) umfasst die Hemizellulosen, die Zellulose sowie das Lignin und repräsentiert somit hauptsächlich die pflanzlichen Zellwände. Außerdem werden bei der üblichen NDF-Analytik auch Kieselsäure und Silikate miterfasst. Die NDF sind im Wesentlichen die Fasern, welche die Blinddarmbakterien füttern und die Verdauung beim Kaninchen stabil halten.

Was steckt hinter den unterschiedlichen Faserstoffen?

  • NFC: Wird hauptsächlich im Dünndarm durch Enzyme verdaut, zu viel davon kann im Blinddarm landen und ihn krank machen
    • Zucker (Glucose): hoher Gehalt in Obst, aber auch in süß schmeckenden Gemüse
    • Stärke: hoher Gehalt in Getreide, Erbsenflocken, aber auch in Obst, Gemüse
    • Pektine: In Obst und Gemüse, zum Beispiel in Apfel und Karotten
  • NDF: „Gerüstsubstanz“, wird hauptsächlich im Blind- und Grimmdarm verdaut, „Bakterienfutter“
    • Hemizellulose: Hoher Gehalt in verholzten Pflanzenteilen (z.B. Gräser, Kräuter, Rinde…), aber in geringer Menge auch in Obst und Gemüse.
    • ADF: Optimal ist ein hoher Anteil für die Verdauungsgesundheit.
      • Zellulose: Sie ist der Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände.
      • ADL: Lignin
        • Lignin: Stark verholzte Pflanzen, z.B. Rinde, in geringer Menge in jeglichen Pflanzen inkl. Gemüse und Obst

Die Verdaulichkeit

  • Pektine weisen beim Kaninchen mit 70 bis 76 % eine sehr hohe Verdaulichkeit auf, sind jedoch ein gutes Bakterienfutter im Blinddarm.
  • Hemicellulosen sind beim Kaninchen im Mittel zwischen 25 und 35 % verdaulich,
  • Cellulose zwischen 15 und 18 %.
  • Lignin ist im Mittel zu 10 bis 15 % verdaulich.

„Blinddarmbakterienfutter“

Nach Gidenne und Lebas (2002) sollte, um Krankheiten der Verdauung vorzubeugen, mehr als 15 % ADF (Zellulose und Lignin) enthalten sein und ein Verhältnis der „verdaulichen Faser“ (Hemizellulose und Pektine) zu ADF kleiner 1,3 eingehalten werden, d.h. ein möglichst hoher Gehalt an ADF (Zellulose und Lignin) ist von Vorteil für die Darmgesundheit.

Aber auch der NDF (Stärke und Zucker) im Verhältnis zum NFC (Hemizellulose, Zellulose, Lignin) spielt eine große Rolle, denn ein Überschuss an Stärke und Zucker führt dazu, dass diese im Verdauungstrakt nicht ausreichend enzymatisch verdaut wird und in den Blinddarm gelangt, so dass sich dort die Bakterienflora verändert. Die Folge ist liegen gelassener Blinddarmkot durch ein bakterielles Ungleichgewicht im Blinddarm.

Der Ligningehalt sollte im Futter laut der Untersuchungen um die 5% betragen um Verdauungserkrankungen zu reduzieren (zu geringer Ligningehalt) bzw. die Futterverwertung nicht zu sehr einzuschränken (zu hoher Ligningehalt).

Vergleich der natürlichen Nahrung Wiese mit der Winterfütterung (Heu, Gemüse, Obst…)

Zwei Futtermittel können den gleichen Rohfasergehalt haben, aber trotzdem zu unterschiedlichen Anteilen verdaubar sein und somit die Verdauung gesund halten oder belasten. Entscheidend ist der Lignin und Zellulose-Gehalt, nicht der Rohfasergehalt, denn diese Fraktionen sind „Blinddarmfutter“.

In der Winterfütterung ist Heu nicht ersetzbar, da Blattgemüse nicht genug unverdauliche Fasern enthält.


Quellen u.a.:

Gidenne, T., Jehl, N., Segura, M., & Michalet-Doreau, B. (2002): Microbial activity in the caecum of the rabbit around weaning: impact of a dietary fibre deficiency and of intake level. Animal Feed Science and Technology99(1-4), 107-118.

Gidenne, T. (2000): Recent advances in rabbit nutrition: Emphasis on fibre requirements. A review.
World Rabbit Science 8 (1), 23-32

Gidenne, T. (2015): Dietary fibres in the nutrition of the growing rabbit and recommendations to preserve digestive health: a review. Animal:(2), 227-242.

Gidenne, T. (2003): Fibres in rabbit feeding for digestive troubles prevention: respective role of low-digested and digestible fibre
Livestock Production Science 81, 105-117