Augenentzündungen können durch Herpesviren ausgelöst werden.

Warum auch menschlicher Lippenherpes gefährlich werden kann

Herpes beim Kaninchen: Symptome, Ansteckung, Diagnose, Behandlung und Vorbeugung.

Herpesviren sind bei vielen Tierarten weit verbreitet. Bekannt sind sie vor allem vom Menschen, wo sie Lippenherpes, Windpocken oder Gürtelrose verursachen. Auch Kaninchen können sich mit bestimmten Herpesviren infizieren. Zwar kommen diese Infektionen selten vor, doch wenn sie auftreten, sind die Erkrankungen oft schwerwiegend. Besonders wichtig für Kaninchenhalter: Herpesviren können sogar vom Menschen auf Kaninchen übertragen werden.

Was sind Herpesviren?

Herpesviren sind behüllte DNA-Viren. Typisch für diese Virusfamilie ist, dass sie:

  • nach der Infektion lebenslang im Körper bleiben (latente Infektion),
  • sich in bestimmten Nervenzellen „verstecken“ können,
  • bei Stress oder geschwächtem Immunsystem wieder aktiv werden (Reaktivierung).

Das bedeutet: Ein einmal infiziertes Tier bleibt lebenslang Träger des Virus, auch wenn es zeitweise völlig gesund erscheint

Bei Kaninchen sind vor allem zwei Herpesviren beschrieben:

  • Leporid Herpesvirus 4 (LHV-4): Ein Kaninchen-spezifisches Virus, das Atemwegserkrankungen und Augenentzündungen hervorrufen kann.
  • Herpes-simplex-Virus (HSV) des Menschen: Kann in seltenen Fällen vom Menschen auf das Kaninchen übertragen werden und sehr schwere Erkrankungen auslösen.

Übertragung

Die Ansteckung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen:

  • Direkter Kontakt: Viren werden über Speichel, Nasen- und Augensekret oder durch engen Körperkontakt weitergegeben
  • Tröpfcheninfektion: Beim Niesen oder Husten können Viren übertragen werden.
  • Mensch-zu-Kaninchen: Besonders riskant ist der Kontakt zu einem Menschen mit aktivem Lippenherpes. Ein kurzer Kuss auf das Kaninchen oder das Anfassen mit kontaminierten Fingern kann genügen

„Todeskuss“ – wenn Lippenherpes für Tiere tödlich wird

Ein bekanntes Beispiel ist ein Chinchilla, das nach einem Kuss seiner kleinen Besitzerin starb. Das Mädchen hatte Lippenherpes und übertrug die Viren beim Schmusen auf ihr Tier. Während das Virus beim Menschen meist nur lästig ist, führte es bei diesem Chinchilla zu einer tödlichen Gehirnentzündung. Das Kind hatte sein Haustier „zu Tode geküsst“, schreibt der Tierpathologe Achim Gruber.
Auch Kaninchen sind gefährdet – weshalb man sie bei aktivem Lippenherpes niemals küssen sollte.

Stressfaktoren wie Umzug, Partnerverlust oder Krankheit können bei bereits infizierten Tieren eine Reaktivierung des Virus hervorrufen.

Symptome

Die Krankheitsanzeichen hängen davon ab, wo sich das Virus im Körper vermehrt:

Neurologische Symptome

Wenn das Virus das Nervensystem befällt, können auftreten:

  • Kopfschiefhaltung
  • Kreisbewegungen
  • Krampfanfälle
  • Bewegungsstörungen (Ataxie)

Diese Symptome ähneln stark denen von Encephalitozoon cuniculi (EC) oder einer Ohrenentzündung, daher ist die Diagnose schwierig.

Augen- und Atemwegserkrankungen

Vor allem LHV-4 kann Bindehautentzündung (Konjunktivitis), Hornhautentzündungen, Nasenausfluss oder Niesen verursachen.

Allgemeinsymptome

  • Fieber
  • Apathie, Mattigkeit
  • Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust

Schwere Verläufe

In seltenen Fällen breitet sich das Virus ins Gehirn aus und verursacht eine Meningoenzephalitis (Gehirnentzündung). Diese verläuft fast immer tödlich

Diagnose: Ist es das Herpesvirus oder etwas anderes?

Da die Symptome unspezifisch sind, ist die Diagnose nicht einfach. Häufig werden zuerst andere, häufigere Ursachen vermutet (z. B. EC oder Ohrenentzündung).

Mögliche diagnostische Verfahren:

  • PCR: Nachweis der Virus-DNA aus Blut, Nasensekret oder Liquor
  • Liquoruntersuchung: Bei Verdacht auf eine Meningoenzephalitis
  • Sektion und Histopathologie: Sichere Diagnose oft erst nach dem Tod des Tieres möglich.

Wichtig: Eine exakte Diagnose ist notwendig, weil die Behandlung sich unterscheidet – bei EC helfen z. B. Antiparasitika, bei Herpes jedoch antivirale Medikamente.

Behandlung

Eine vollständige Heilung ist nicht möglich, da Herpesviren im Körper verbleiben. Die Behandlung zielt darauf ab, Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden:

Engster Kontakt sollte mit aktiven Lippenherpes-Bläschen vermieden werden. Foto: Ketzirah-Lesser-Art-Drauglis
  • Antivirale Medikamente wie Aciclovir können in Einzelfällen versucht werden
  • Entzündungshemmer und Schmerzmittel helfen, Entzündungen zu kontrollieren und das Wohlbefinden zu verbessern.
  • Unterstützende Pflege: Handfütterung, Infusionen, Wärmezufuhr und Stressreduktion sind entscheidend.

Die Prognose ist sehr unterschiedlich: Leichte Infektionen können abheilen, schwere neurologische Verläufe enden leider oft tödlich.

Vorbeugung

Da eine Behandlung schwierig ist, kommt der Vorbeugung große Bedeutung zu:

Kein Kontakt bei Lippenherpes: Menschen mit aktivem Lippenherpes dürfen Kaninchen weder küssen noch ohne gründliches Händewaschen anfassen. Ist der Herpes abgeheilt, ist ein Kontakt zum Tier unproblematisch.

Stress vermeiden: Stress schwächt die Abwehr und kann eine Reaktivierung auslösen.

Quarantäne bei Neuzugängen: Neue Tiere zunächst getrennt halten, bevor sie in den Bestand integriert werden.


Quellen u.a.:

Beer M, Kaufer B, Sutter G, Truyen U, Vahlenkamp T: Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre – DNA-Viren. Thieme Verlag 10.1055-f-0008-0001-b000000531

Müller LS, Thöle M.: Die neurologische Untersuchung beim Kaninchen. Kleintier konkret 2020; 23: 2–11, 10-1055-a-1211-1245

Liebscher J, Hein J.: Typische und untypische Infektionserreger beim Kaninchen: Teil 5 Neurologische Symptome. Kleintier konkret 2023; 26: 12–17, 10-1055-a-2012-8631

Vetmeduni Wien: Was geschah mit diesen Tieren? https://www.vetmeduni.ac.at/forschung/aktuelles-aus-der-forschung/was-geschah-mit-diesen-tieren