Operationen & Kastrationen
Viele Kaninchenhalter*innen erleben im Laufe eines Kaninchenlebens bei den eigenen Kaninchen Operationen, denn viele sind mittlerweile Routine (Kastrationen) und andere bei Erkrankungen oft leider nötig. Die Pflege rund um Operationen ist sehr wichtig damit das Kaninchen die Operation gut übersteht.
Die Pflege vor der Operation
Leider gibt es immer noch Tierärztinnen und -ärzte, die dazu raten, Kaninchen vor der Operation ausnüchtern zu lassen. Solche Tierärztinnen und -ärzte kennen sich nicht mit Kaninchen aus und sollten keinesfalls für eine Operation beauftragt werden.
Kaninchen dürfen nicht fasten, denn ihr Stoffwechsel verträgt keine Hungerphasen und schwächt das Kaninchen unnötig vor der Operation. Zudem ist eine Ausnüchterung auch nicht zweckmäßig, denn Kaninchen können ohnehin (im Gegensatz zu Hunden und Katzen) nicht erbrechen, d.h. ein Nahrungsentzug ist gar nicht nötig.
Bis kurz vor der Operation sollten Kaninchen Nahrung angeboten bekommen. Etwa einen Tag vor der Operation dürfen keine Kohlgemüse, kein Klee und keine Luzerne angeboten werden, da durch die Operation oft der Stoffwechsel kurz zum Stillstand kommt und dadurch das Blähungs-Risiko erhöht werden kann. In dieser Zeit bekommen die Kaninchen am besten Wiesenpflanzen, Heu, Küchenkräuter, Zweige, Gemüse. Eine reine Heuernährung vor der Operation wird oft empfohlen, ist jedoch nicht nötig und kann sich negativ auswirken. Ein „Überfressen“ mit besonders leckeren Futter oder plötzlich großen Nahrungsmengen vor der Operation ist ebenfalls problematisch, es kann den Druck auf das Zwerchfell erhöhen und so das Narkoserisiko erhöhen.
Die Absprachen mit der Tierärztin oder dem Tierarzt
Besprechen Sie im Voraus mit Ihrem Tierarzt bzw. Ihrer Tierärztin wann Sie das Kaninchen voraussichtlich abholen können und was bei der Nachsorge für die OP beachtet werden muss bzw. auch wie pflegeintensiv die Nachsorge ist.
Das Kaninchen kommt nach Hause
Das Kaninchen sollte normalerweise erst wieder mitgegeben werden, wenn es wieder aus der Narkose erwacht und in einem relativ stabilen Zustand ist, denn in der Zeit nach der Operation treten häufig Komplikationen auf, die medizinisch abgefangen werden müssen.
Bis das Kaninchen wieder völlig wach ist, sollte es in seiner Transportbox bleiben und mit einer eingewickelten Wärmflasche oder einem Snuggle Safe gewärmt werden. Wenn es sich wieder normal bewegt, kann es zurück ins Gehege ziehen.
Schutz der Wunde vor Verschmutzung: Geeigneter Untergrund/Einstreu
Nach der Operation darf die Wunde keinesfalls mit Einstreu verschmutzt oder verletzt werden. Deshalb sollte je nach Wunde vorübergehend für drei bis fünf Tage auf einem speziellen Untergrund gehalten werden.
Die oft empfohlene Haltung auf Handtüchern, Zeitungspapier, Teppichen oder Wickelunterlagen sind zwar hygienisch, aber werden von einigen Kaninchen angeknabbert. Dadurch kann es zu lebensbedrohlichen Magendilatationen kommen. Deshalb raten wir dazu, solche Unterlagen nur bei Tieren zu verwenden, die streng kontrolliert werden und solche Materialien nicht anfressen.
Hobelspäne verschmutzt die Wunde mit Staub und hängt sich in ihr fest, Stroh und härteres Heu kann evtl. in die Wunde stechen.
Geeignet ist sehr weiches Heu, wenn das Kaninchen nicht wühlt, kann mit diesem Hobelspäne abgedeckt werden, so dass die Wunde mit dieser nicht in Kontakt kommt.
Die Kaninchen dürfen auch auf die (trockene) Wiese.
Achten Sie auf Hygiene und einen durchgängig trockenen und sauberen Untergrund.
Hohe Sprünge vermeiden
Frisch operierte Kaninchen dürfen in den ersten Tagen nicht hoch springen, deshalb sollten Etagen abgesperrt oder voll gestellt werden, bzw. so gesichert, dass nicht hoch oder hinunter gesprungen, sondern ein Aufgang genutzt werden muss. Toilettenränder sind oft zu hoch, so dass kurz nach der OP eine flache Schale als Toilette hilfreich ist. Problematisch sind Sprünge von über zwanzig Zentimetern.
Rangodnungskämpfe nach der OP?
Wenn die Gruppe nicht sehr harmonisch ist, kann es sein, dass sich die Kaninchen durch die Trennung oder die vorübergehende Schwächung des operierten Kaninchens nicht mehr richtig verstehen. In solchen Fällen ist es sinnvoll, alle Kaninchen der Gruppe während der Operation aus dem Gehege herauszunehmen, um sie nachher wieder gemeinsam ins Gehege zu setzen. Dann sollte das Kaninchen möglichst wieder fit sein. Siehe auch Rangordnungskämpfe. Bei geschwächten Kaninchen kann man ggf. mehrmals täglich unter Aufsicht die Kaninchen zusammen lassen, damit sie sich nicht entfremden und dazwischen dem geschwächten Tier Ruhe durch eine Gitterabtrennung gönnen. Sind die anderen Kaninchen freundlich gesinnt, kann man das frisch operierte Kaninchen auch durchgängig mit den anderen zusammenlassen, viele Kaninchen sind sehr gute Krankenpfleger.
Wurde nicht so vorgegangen, muss unter Umständen neu vergesellschaftet werden, das sollte vermieden werden, da es sehr stressig für das kranke Tier ist. Zudem ist es ein Problem kranke Kaninchen zu trennen, da den Haltern so über kurz oder lang die neutralen Gebiete für eine Neuvergesellschaftung ausgehen.
Das Kaninchen frisst nach der OP nichts?
Nach der Operation trinken Kaninchen meist erst einmal etwas mehr als davor und fangen erst wieder langsam an zu fressen. Es ist normal, dass die Kaninchen nichts fressen solange sie noch schläfrig sind, allerdings sollte ihnen trotzdem alles was sie gerne mögen, angeboten werden. Besonders bewährt haben sich frische Kräuter von der Wiese oder aus dem Supermarkt wie z.B. Löwenzahn, Dill, Karottengrün und Basilikum.
Ursachen für die Nahrungsverweigerung:
- Zu geringe Schmerzmittelmenge
- Untertemperatur (Temperatur messen!)
Solange das Kaninchen nicht frisst und kalte Ohren hat, sollte die Körpertemperatur überprüft und unter 38,5 Grad das Kaninchen gewärmt werden (Wärmequelle mit 39-41 Grad, z.B. Snuggle Safe, Wärmflasche, Heizdecke, mit heißen Wasser gefüllte Gummihandschuhe). Die Wärmequelle muss mit einem Handtuch abgedeckt werden um Vebrennungen zu vermeiden. Die Temperatur der Wärmequelle kann überprüft werden, indem man das Thermometer zwischen Tier und Wärmequelle schiebt und misst.
Achtung Schmerzmittelmenge: Kaninchen brauchen größere Schmerzmittelmengen als Hund und Katze, die Dosierung ist nicht identisch! Zudem wird es schneller verstoffwechselt und muss deshalb häufiger nachgegeben werden. Bei größeren Operationen müssen mehrere Schmerzmittel kombiniert werden. Der häufigste Grund für die fehlende Nahrungsaufnahme nach OP´s sind starke Schmerzen bei unzureichender Schmerzmittelgabe:
Schmerzen erkennen und Schmerzmittel richtig dosieren
Sollte das Kaninchen länger als ein paar Stunden nach der Abholung nichts fressen, kann langsam angefangen werden es zu päppeln. Bei Kaninchen nach Zahn- oder Mundoperationen muss direkt nach der OP für etwa zwei Tage, bzw. bis es anfängt selbst zu fressen, gefüttert werden. Oft wird angefeuchtetes Cuni Complete oder Haferflocken recht gut aufgenommen. Kaninchen die nach wenigen Stunden noch nicht fressen, haben meist starke Schmerzen! Dann sollte die Dosierung vom Schmerzmittel mit der Tierärztin oder dem Tierarzt besprochen und ggf. erhöht werden.
Sollte der Zustand vom Kaninchen sich nicht stetig verbessern oder verschlechtern, so muss unbedingt Rücksprache mit der Tierärztin bzw. dem Tierarzt gehalten werden.
Wundkontrolle
- Ein- bis zweimal täglich muss die Wunde kontrolliert werden. Sie darf nicht verschmutzt oder entzündet sein.
- Sollte die Wunde nicht abheilen, rot, geschwollen oder anderweitig auffällig werden, muss unverzüglich die Tierarztpraxis kontaktiert werden.
- Sprechen Sie mit dem Tierarzt bzw. der Tierärztin ab, wann die Fäden gezogen werden müssen (ca. nach 7-14 Tagen) bzw. ob sie selbst auflösend sind.
Schutz der Wunde vor dem Fäden ziehen oder Krallen (Kratzen) des Kaninchens
Die Fäden dürfen nicht vom Kaninchen aufgebissen oder beschädigt werden.
Trichter nach OP’s als Wundschutz?
Während sie bei Hund und Katze Standard sind, werden sie beim Kaninchen nur im absoluten Notfall in Spezialfällen angewendet, wenn andere Möglichkeiten versagen! Warum ist das so?
1️⃣ Kaninchen sind im Unterschied zu Hunden und Katzen Fluchttiere. Sie rennen kopflos ohne zu überlegen los, wenn sie sich erschrecken. Dabei rennen sie mit unglaublicher Geschwindigkeit gegen Türrahmen, Gegenstände und Einrichtung. Durch den Schlag gegen den Trichter kann es zu schweren Schäden kommen!
2️⃣ Kaninchen sind auf die Aufnahme ihres Blinddarmkots angewiesen, durch die Trichter wird die Aufnahme oftmals verhindert, so dass dem Tier lebenswichtige Fettsäuren und Vitamine fehlen.
3️⃣ Kaninchen fressen den Großteil des Tages, da sie im Unterschied zu Hund &Katze Pflanzenfresser sind. Die Aufnahme von Nahrung wird durch den Trichter stark erschwert oder sogar verhindert! Dadurch kann es zu Fehlgärungen und Verdauungsproblemen kommen.
4️⃣ Kaninchen leben im sozialen Verbund. Eine Separation geht meist mit erheblichen Stress für die Tiere (Neuvergesellschaftungs-Stress, Stress durch die Trennung) einher. Der Trichter irritiert die Artgenossen, oftmals kommt es zu Auseinandersetzungen und Anfeindungen.
Wie werden beim Kaninchen Wunden geschützt?
✅ Im Idealfall wird die Wunde intrakutan genäht, dann sind die Fäden innenliegend und können nicht aufgeknabbert werden.
✅ Pflaster (z.B. Auge, Bauch…) zum Abdecken und Schutz vor Verschmutzungen und leichten Manipulationen
✅ Spezielle Bodys (z.B. von Bunnywear) für alle Wunden am Körper, ggf. auch spezielle Maßanfertigingen möglich.
✅ Auch Socken können zugeschnitten als Body verwendet werden.
✅ Sehr gute Schmerzmedikation (Kaninchen manipulieren die Narbe meist, wenn sie Schmerzen haben. Kaninchen sind keine Hunde oder Katzen, sie brauchen deutlich höhere Schmerzmittelmengen als diese und auch häufigere! Oftmals erleiden sie Schmerzen, da Hundedosierungen verwendet werden)
✅ Kratzt das Kaninchen an der Wunde? So kann ein Krallenschutz für Katzen an den Krallen der entsprechenden Pfote angebracht werden.
✅ Für Extremfälle: weiche Stoff-Donut, Stoff-Halskrause oder Stoff-Trichter wählen und kurz schneiden, so dass sie ungestört fressen können. Am besten sind solche, die nur seitlich einen Wulst bilden oder nach hinten geklappt sind, so dass sie normal fressen können.
Spezielle Kaninchenbodys: Kaninchenbody-Shop
Nachsorge bei der Weibchenkastration: Weibchenkastration-Kaninchen-Flyer
Operationen im Winter
Der Zeitpunkt sollte bei Außenkaninchen gut gewählt werden. Gibt es die Möglichkeit, die OP zu verschieben, sollte man eine gute Wetterlage (ohne Starkfrost) auswählen.
Die Tiere müssen auf jeden Fall bis sie wieder absolut fit sind, gut fressen und eine normale Körpertemperatur aufrecht erhalten, in einen frostfreien Raum (Keller, ungeheizter Raum, Badezimmer etc.) untergebracht werden. Meistens dauert diese Phase 1-3 Tage an. Sofern es keine Verträglichkeitsprobleme gibt, wird das frisch operierte Kaninchen am besten mit den Sozialpartnern untergebracht bzw. die ganze Gruppe ins Haus geholt, damit die stressige Neu-Vergesellschaftung erspart wird.
Wurde das Kaninchen großflächig rasiert, so muss die Stelle vor Frost geschützt werden (z.B. mit Body oder Pflaster).
Quellen/Weiterführend u.a.:
Thöle, M., & Eckert, Y. (2020): Chirurgie beim Kleinsäuger: Weichteiloperationen bei Kaninchen und Meerschweinchen. Schlütersche.
Voigt, L. C. (2019): Vorbereitung des Kaninchens auf eine Allgemeinanästhesie–Wie Sie das Narkoserisiko senken können. kleintier konkret, 22(S 01), 9-14.
Voigt, L. C. (2019): Anästhesie beim Kaninchen–Teil 2: Wichtiges zur Prämedikation, Einleitung und Erhaltung. kleintier konkret, 22(S 02), 10-16.
Voigt, L. C. (2020): Anästhesie beim Kaninchen–Teil 3: Welches Anästhesieprotokoll für welchen Patienten?. kleintier konkret, 23(S 01), 11-17.
Voigt, L. C. (2020): Anästhesie beim Kaninchen–Teil 4: Überwachung des Anästhesiepatienten. kleintier konkret, 23(S 02), 16-21.