in Kaninchengruppen
Nicht nur während der Zusammenführung sich fremder Kaninchen kann es zu Rangordnungskämpfen kommen (siehe Zusammenführung), sondern auch bei bestehenden Gruppen sind Rangordnungskämpfe oft an der Tagesordnung.
Lieber hören statt lesen?
Sind Rangordnungskämpfe normal?
Kaninchen haben eine recht klare Rangordnung, die für ihr Überleben in der Natur einmal sehr wichtig war, denn ranghohe Kaninchen haben in der Natur eine höhere Überlebenschance, pflanzen sich häufiger fort und sind gesünder. Zudem funktioniert das Zusammenleben bei Kaninchen nur, wenn die Rangordnung klar ist. In einem gewissen Umfang sind Rangordnungkämpfe daher bei Kaninchen völlig normal und überhaupt nicht bedenklich.
Ab wann sind die Kämpfe nicht mehr „normal“ bzw. bedenklich?
Egal wie schlimm die Kämpfe aussehen, wie viel Fell fliegt und wie viel die Kaninchen kämpfen: Kämpfe sind grundsätzlich völlig normal, sofern nicht eines dieser Kriterien erfüllt ist:
- Es kommt zu stärkeren Verletzungen (keine Kratzer oder „Unfall“-Verletzungen sondern behandlungsbedürftige Bisswunden).
- Die Kaninchen kämpfen über Wochen ohne dazwischen auch wieder kampffrei miteinander zu leben.
- Ein Kaninchen setzt sich mit Kopf an die Wand und verlässt diese Position nicht mehr, die anderen beißen in seinen Rücken.
- Ein Kaninchen hat panische Angst vor den anderen Kaninchen und ist auch nach Tagen nur noch auf der Flucht, es ist keine Besserung in Sicht.
Wann sind Rangordnungskämpfe „Mobbing“?
Auseinandersetzungen sind in einer Gruppe normal, aber wenn ein einzelnes Kaninchen von mehreren Kaninchen massiv angegangen wird, kann das schnell in Mobbing enden. Das zeigt sich dann so:
- Das betroffene Kaninchen kann fast nie in Ruhe fressen, nimmt ab und
- kann sich nie richtig entspannen, so dass es dauerhaft unter Anspannung steht (z.B. kein ausgestrecktes entspanntes Liegen).
- Es verändert sic in seinem Charakter, wird sehr zurückgezogen oder panisch/extrem ängstlich.
- Es darf sich nur in einem kleinen Bereich des Geheges aufhalten und wird sonst gebissen und extrem gejagt.
- Kein anderes Kaninchen in der Gruppe möchte mit ihm kuscheln.
- Es wird gebissen, so dass sich Bissverletzungen finden lassen.
- Der Stress führt dazu, dass es immungeschwächt ist und ständig krank wird (z.B. Milben, Infektionen, EC, Parasiten, Schnupfen…).
Welche Kaninchen werden gemobbt?
- Kaninchen die nicht in die Gruppe passen (z.B. gehandicapte, alte oder kranke Kaninchen in einer Gruppe mit jungen Kaninchen)
- Kaninchen die in großen Gruppen nicht zurecht kommen, sondern nur als Pärchen (meist durch mangelhafte Sozialisierung im Jungtieralter und zu frühe Trennung vom Muttertier)
- Ranghohe Kaninchen wenn sie z.B. durch Krankheit oder Alter im Rang fallen
- Kaninchen die schon mal gemobbt wurden und z.B. sehr schlechte Erfahrungen in einer Gruppe gemacht haben, so dass sie extrem ängstlich agieren
Welche Auswirkungen kann „Mobbing“ auf das betroffene Kaninchen haben?
Mobbing setzt Kaninchen stark zu:
- Psychische Belastung bis hin zur Traumatisierung
- Depressives Verhalten bis hin zum Aufgeben (in die Hinterlassenschaften setzen, Nahrung verweigern, starker Rückzug, fehlende Körperpflege…)
- Extreme Ängstlichkeit (Überreaktion)
- Stress (verursacht oft Krankheiten)
- Krankmachende Kälte in Außenhaltung (kein Zugang zur Schutzhütte, kein Kuschelpartner…)
- …
Was haben Rangordnungskämpfe und Mobbing für Ursachen?
Die Ursachen sind sehr vielfältig, häufig sind es jedoch folgende:
- „Frühlingsgefühle“: im Frühjahr gibt es in recht vielen Gruppen wieder eine neue Rangordnungsklärung, da die Hormone nun sagen, dass es jetzt um die Fortpflanzung geht. Nun möchte jeder eine möglichst hohe Rangposition, denn dann überleben bei ihm später mehr Babys.
- Ein Kaninchen hält die Regeln der Rangordnung nicht ein und klaut beispielsweise einem ranghöheren Kaninchen das Fressen oder ist aufdringlich. Nun wird es zurecht gewiesen/erzogen.
- Ist ein Kaninchen schwächer als früher, z.B. durch Krankheit oder Alter, so versuchen rangniedere Kaninchen seinen Rang einzunehmen, dabei kommt es oft zu stärkeren Kämpfen.
- Verstirbt ein Kaninchen oder wird aus der Gruppe genommen, kann es dazu kommen, dass einzelne oder alle Kaninchen ihren Rang neu anfechten.
- Hat ein Kaninchen Schmerzen, so reagiert es oft aggressiv. Oft sind die Krankheiten versteckt, die zu Schmerzen führen (z.B. Gebärmuttererkrankungen).
- Wird ein Kaninchen, das zuvor krank war, wieder gesund, so versucht es oft einen höheren Rangplatz zu ergattern.
- Keine richtige Vergesellschaftung oder wenn die Tiere nie ihre Rangordnung richtig klären durften/konnten. Teils gibt es Zusammenführungen bei denen nicht gekämpft wird, dafür kommen die Kämpfe dann oft später (im Revier), was zu Problemen führen kann.
- Die Kastration eines Gruppenmitgliedes (auch Weibchenkastrationen) verändert die Rangordnung, die muss neu festgelegt werden (Kämpfe).
- Die Kaninchen waren zwischenzeitlich getrennt und wurden wieder zusammen gesetzt.
- Die Haltung von unkastrierten Rammlern klappt fast nie, sie bekämpfen sich oft nach jahrelanger Harmonie plötzlich bis zum Tode. Zwei Weibchen ohne Männergesellschaft vertragen sich oft in der Pubertät (mit ca. 8-12 Monaten) nicht mehr, oft auch später oder früher, gemischtgeschlechtliche Gruppen sind immer vorzuziehen.
- Gruppengrößen zwischen vier und acht Kaninchen sind oft sehr viel unruhiger und es kommt zu häufigen Rangordnungkämpfen. Bei sehr kleinen Gruppen oder Gruppen ab acht, neun oder zehn Kaninchen sind meistens deutlich harmonischer.
- Jungkaninchen (1 Jahr bis ca. 4,5 Jahre) haben in der Regel sehr viel mehr Auseinandersetzungen als Senioren.
- …
Was begünstigt Rangordnungskämpfe?
Viele Faktoren können Kämpfe unter Kaninchen begünstigen, z.B.
- Nahrungsmangel
- Platzmangel (Einsperren im Käfig/Stall)
- Frühling
- Ungleichgewicht im Geschlechtsverhältnis (z.B. 5 kastr. Rammler und eine Häsin), reine Weibchen- oder Männchengruppen
- Noch nicht lange zusammen lebende Gruppen (länger zusammen lebende Gruppen sind harmonsicher)
- Sackgassen im Gehege
- Extrem viel Platz (über 500m²)
- Wenig Rückzugsplätze, kein Blickschutz – so dass sich die Kaninchen dem Blick der anderen nicht entziehen können
- Hormonelles Ungleichgewicht bei einzelnen Kaninchen, z.B. in der Pubertät (um den 8. Lebensmonat herum), besonders bei gleichgeschlechtlichen Kaninchen.
- Kranke oder kurzzeitig aus der Gruppe genommene Kaninchen (Kastration)
Was kann ich tun, damit die Rangordnungskämpfe und Mobbing weniger werden?
Versuchen Sie, die Ursache heraus zu finden, manchmal kann sie behoben werden. Optimieren Sie die Haltungsbedingungen und beseitigen Sie begünstigende Faktoren, wenn dies möglich ist. Kaninchen die betroffen sind, also gejagt und bekämpft werden, sollten tierärztlich untersucht werden, oft haben sie versteckte Erkrankungen.
Auf jeden Fall sollte man Sackgassen beseitigen und dafür sorgen, dass die Kaninchen im Kreis jagen können. Zudem brauchen sie viel viel Platz um sich auch mal aus dem Weg zu gehen, viel Abwechslung und auch optischen Blickschutz in Form von Einrichtung etc. In Gruppenhaltung ist es recht wichtig, mehrere Ebenen (mit jeweils mehreren Auf- und Abgängen) anzubieten, so dass sich die Kaninchen gut aus dem Weg gehen können. In begehbaren Gehegen können z.B. 2-3 Etagen eingebaut werden.
Ebenfalls ist es wichtig, die Gruppenzusammenstellung zu überprüfen (gleichgeschlechtliche Gruppen sind u.U. nicht geeignet) und ggf. noch ein Kaninchen hinzu zu nehmen. Unkastrierte Rammler müssen selbstverständlich kastriert werden. Ideal ist es, wenn man sie danach beim Tierarzt in einer Box zusammen aufwachen lässt, dadurch verstehen sie sich im Anschluss deutlich besser. Wenn Sie die Möglichkeit haben, die Kaninchen vorübergehend in ein neutrales Revier zu setzen, dann nutzen Sie diese: dadurch wächst die Gruppe wieder besser zusammen und die Kämpfe beruhigen sich.
Machen Sie nicht den Fehler, die Kaninchen voreilig zu trennen! Eine Neuvergesellschaftung ist meistens sehr schwer und nervenaufreibender als die Rangordnungskämpfe!
Wann muss ich kämpfende Kaninchen trennen?
Sollte es zu Bisswunden kommen, die tierärztlich behandelt werden müssen, so sollten die Kaninchen getrennt werden. Zu solchen Beißereien kommt es jedoch meistens durch grobe Haltungsfehler (Enge in Ställen/Käfigen, unkastrierte Rammler, reine Frauen-WG´s) oder wenn das betroffene Kaninchen eine Krankheit hat. Oft ist diese nach Außen nicht sichtbar. Chronisch kranke Kaninchen leben am besten mit einem ebenfalls gehandicapten Kaninchen zusammen, falls sie sich in der Gruppe nicht behaupten können.
Sollte es zu starken Verletzungen kommen, so hat es sich bewährt, das dominantere Kaninchen aus der Gruppe zu nehmen und für zwei Wochen zu separieren. Bei sehr großzügiger Haltung (Gartenfreilauf, sehr große Gehege…) kann es anschließend wieder dazu gesetzt werden, das unterlegene Kaninchen hat dann den Reviervorteil, das Dominate muss zurückstecken. Bei beengter Haltung muss auf neutralem Gebiet neu vergesellschaftet werden.
Bei Weibchen ist vor allem die Gehegegröße für die Harmonie entscheidend, im Gartenfreilauf beispielsweise kommt es fast nie zu Bissverletzungen.
Bei den Rammlern (auch kastr. Rammlern) gibt es Männchen, die sich allgemein nicht miteinander verstehen und (oft nach erfolgreicher Zusammenführung) immer wieder sich extrem raufen und Bissverletzungen davon tragen. Solche Kaninchen sollten spätestens bei der zweiten Bissverletzung trotz optimaler Neuvergesellschaftung, genug Platz usw. wenn sie sich wieder verbeißen, komplett getrennt leben (einen zu anderen Weibchen vermitteln oder zwei Gruppen halten). Einzelhaltung ist natürlich keine Option, mit einem Weibchen sind diese Rammler problemlos verträglich.
Es hat sich bewährt die Kaninchen nach Aktivitäts-Niveau zu halten, z.B. Senioren und gehandicapte Kaninchen separat und nicht mit jungen, pubertären, gesunden Kaninchen.