„Mein Kaninchen versteht sich nicht mit anderen Kaninchen“
Lieber hören als lesen?
Das Sozialverhalten von Kaninchen ist nicht einfach, man muss sich recht gut mit ihnen auskennen, damit man fremde Kaninchen aneinander gewöhnen kann. Deshalb passiert es oft, dass Halter Probleme mit scheinbar unverträglichen Kaninchen haben, die sich nicht vergesellschaften lassen, aggressiv sind oder „lieber alleine leben“.
Prinzipiell kann man sagen, dass Kaninchen hoch soziale Tiere sind, es gibt keine unverträglichen Kaninchen. Wir nehmen regelmäßig unverträgliche Kaninchen zur Vergesellschaftung oder Weitervermittlung auf und keines davon war bisher wirklich unverträglich, alle haben einen passenden Partner gefunden.
Warum wirken dann manche Kaninchen so, als wenn sie sich nicht mit anderen Kaninchen verstehen?
- Unwissenheit über das normale Verhalten bei der Zusammenführung (Kämpfe, Rammeln, Jagen usw. sind normales Verhalten und dienen der Rangordnungsklärung, Aggressionen am Gitter sind ebenfalls ganz normal! Im Revier sind Kaninchen teils extrem aggressiv etc.)
- Falsches Vorgehen bei der Zusammenführung der Kaninchen, Nicht-Einhalten der VG-Regeln (Häufige VG-Fehler, Ablauf der Vergesellschaftung)
- Die Partnerwahl ist nicht geeignet (Jungtier zu altem Kaninchen, gleichgeschlechtliche Tiere… siehe Partnerwahl)
Wenn man Kaninchen ganz genau nach Vergesellschaftungsregeln zusammen führt und das Partnertier richtig auswählt, so gibt es sehr selten Unverträglichkeiten. Sollte trotzdem eine auftreten, heißt dies nicht, dass das Tier generell unverträglich ist. Evtl. ist ein anderes Kaninchen besser als Partner geeignet.
Expertenrat einholen
Sollte ein Tier schwer zu vergesellschaften sein, so kann es die Möglichkeiten von Laien oder einfachen Halterinnen und Haltern übersteigen! Dann ist es ratsam, sich professionellen Rat von erfahrenen Personen einzuholen:
- Seriöse Abgabestellen helfen bei der Vergesellschaftung und können sie teils sogar bei sich selbst durchführen. Soll ein Kaninchen dazu genommen werden, ist es sinnvoll, sich dort hinzuwenden!
- Hier gibt es Anlaufstellen für Vergesellschaftungs-Hilfen
- Unsere Telefonberatung ermöglicht den Einzelfall genau anschauen und eine individuelle Behandlung und einen Schritt-für-Schritt Plan zur Vorgehensweise besprechen
- Auf Verhaltenstherapie und Kaninchen spezialisierte Tierärzte können eine individuelle Beratung und Behandlung des unverträglichen Tieres durchführen
Verhaltenstherapeutische Verfahren
Bei unverträglichen Kaninchen kann auch eine Verhaltenstherapie bei einem auf Verhaltenstherapie und Kaninchen spezialisierten Tierarzt nötig sein. Dabei sind folgende Verfahren möglich:
Systematische Desensibilisierung
Bei der Desensibilisierung wird der angstauslösende Reiz zunächst in einer so schwachen Form präsentiert, dass das Kaninchen entspannt bleibt. Die Intensität wird schrittweise gesteigert, um die Reizschwelle zu erhöhen. Ein unverträgliches Kaninchen sollte andere Kaninchen bei dieser Technik anfangs nur aus großer Entfernung wahrnehmen, und die Nähe wird allmählich angepasst, sobald es entspannt reagiert.
Gegenkonditionierung
Hier wird ein negativer Reiz durch positive Erfahrungen ersetzt. Das andere Kaninchen wird mit Futter statt Bedrohung verknüpft. Das Tier erhält Leckerlis oder wird gefüttert bei Annäherung eines anderen Kaninchens, ohne Zwang oder negative Erlebnisse.
Habituation
Die Habituation basiert darauf, dass sich ein Kaninchen durch wiederholte, nicht bedrohliche Begegnungen an einen Reiz gewöhnt wird. Es wird ein Setting geschaffen, bei dem sich die Kaninchen regelmäßig begegnen, ohne dass sie direkten Kontakt haben. Mit der Zeit nimmt die Angstreaktion ab, da das Kaninchen lernt, dass von der Situation keine Gefahr ausgeht.
Quellen u.a.:
Bays, T. B., Lightfoot, T., & Mayer, J. (2006): Exotic pet behavior: birds, reptiles, and small mammals. Elsevier Health Sciences.
Buseth, M. E., & Saunders, R. (2014). Rabbit behaviour, health and care. CABI.
Schneider, B., & Döring, D. (2017): Verhaltensberatung bei kleinen Heimtieren: Haltung, Normalverhalten und Behandlung von Verhaltensproblemen. Schattauer Verlag.
Döring, D., & Erhard, M. H. (2015): Verhaltensprobleme bei Kaninchen. kleintier konkret, 18(S 01), 2-6.
Drescher, Birgit (1998): Verhalten und Verhaltensstörungen bei Hauskaninchen. Zeitschrift für Ganzheitliche Tiermedizin 12: 129 – 132
Drescher B. Verhalten und Verhaltensstörungen bei Hauskaninchen.
Kaulfuss, P. (2011): Verhaltensprobleme beim Kaninchen-Teil 1: Von „Untugenden „bis zur manifestierten Verhaltensstorung. PRAKTISCHE TIERARZT, 1(9), 796-796.
Kaulfuss, P. (2011): Verhaltensprobleme beim Kaninchen-Teil 2: Angst und Aggression. PRAKTISCHE TIERARZT, 1(11), 982-987.
McBride, A. (2003): Kaninchen verstehen: ein Ratgeber für die artgerechte Haltung. Pala-Verlag.
Solms, P. (2022): Verhaltensprobleme bei Nager, Reptil & Co.: Von den Grundlagen bis zum Management
Tynes, V. (2010): Behavior of Exotic Pets, Wiley-Blackwell