Bei sachgerechter Wiesenfütterung ist eine Vergiftung beim Kaninchen extrem selten.

Kaninchen sind Pflanzenfresser, die sich auf Grund ihres Nahrungsspektrums in der Natur, an viele Pflanzenstoffe angepasst oder sogar Resistenzen entwickelt haben, so dass diese Pflanzen, die für den Menschen oder Hund & Katze giftig sind, für unsere Kaninchen häufig sogar ins natürliche Nahrungsspektrum gehören. Trotz dessen gibt es auch für Kaninchen hoch giftige Pflanzen, die zu Vergiftungen führen können!

„Eigentlich ist es sehr schwierig, Kaninchen mit Pflanzen zu vergiften. Die Erfahrung hat dies bewiesen. Die Angst vor giftigen Pflanzen kann die Besitzer davon abhalten, Pflanzen für ihr Tier zu pflücken oder dem Kaninchen Zugang zu einem Garten zu gewähren. Das ist schade, denn eine Ernährung mit frischen Pflanzen ist für das Kaninchen sehr angenehm und hat viele gesundheitliche Vorteile. Außerdem kosten Wildpflanzen nichts, was für Besitzer, die viele Kaninchen zu füttern haben, wichtig sein kann.“

Tierärztin Frances Harcourt-Brown

Die häufigsten Vergiftungsquellen für Kaninchen

Leider ist immer noch die Anwendung von für Kaninchen giftige Spot-ons gegen Milben, eine häufige Vergiftungsquelle.
  • Schädlings- oder Unkrautbekämpfungsmittel: Insektizide, Herbizide
  • Schädlingsbekämpfungsmittel, z.B. Rattengift (Rodentizide)
  • Falsch angewendete oder ungeeignete Medikamente (z.B. Fipronil (FRONTLINE®Spot on oder PLACE-Antibiotika (Penicillin – Lincomycin – Ampicillin, Amoxicillin – Clindamycin, Cephalosporine – Erythromycin), wenn sie nicht gespritzt, sonder oral eingegeben werden))
  • Putzmittel (wähle möglichst harmlose Putzmittel, z.B. verdünnte Zitronensäure)
  • Schwermetalle (z.B. Farbe, die abgenagt wird)
  • Schimmelpilze: Verschimmeltes Futter, feuchtes Heu…
  • Hochgiftige Pflanzen (z.B. Eibe oder Herbstzeitlose im Heu)

Hat sich mein Kaninchen vergiftet? Pflanze einschätzen

Es ist häufig gar nicht so leicht einzuschätzen, ob die Aufnahme einer Pflanze zu einer Vergiftung führt, oder nicht. Einige Listen für Kaninchen orientieren sich bei der Angabe zur Giftigkeit an der Verträglichkeit beim Menschen oder anderen Tieren, dadurch kann es zu erheblichen Fehleinschätzungen kommen. Zudem sind oftmals „gefährliche“ Pflanzen auf Grund ihrer Stacheln (z.B. Kohlkratzdiestel) oder der Gefahr einer Dermatitis beim Menschen (z.B. Wiesenbärenklau) als giftig eingestuft, obwohl diese Pflanzen oftmals ein ideales Futter für Kaninchen sind.

Wir haben uns daher die Mühe gemacht, die Giftigkeit einzelner Pflanzen speziell für Kaninchen anhand wissenschaftlicher Literatur zu beurteilen und in unseren Pflanzenlisten widerzugeben:

Sollte eine Pflanzen in diesen Listen nicht aufzufinden sein, kann häufig eine sehr gute Erst-Einschätzung über die Giftdatenbank Zürich erfolgen.

Die häufigste Pflanzen-Vergiftung beim Kaninchen ist die Eiben-Vergiftung.

Erste Hilfe bei Vergiftungsverdacht

  1. Kaninchen von Giftquelle entfernen: Als erstes muss das giftige Futter oder Kontaktgift rückstandslos entfernt bzw. das Tier aus der vergifteten Umgebung genommen werden.
  2. Was wurde genau aufgenommen und in welchen Mengen? Nehmen Sie die Verpackung, genaue Bezeichnung oder die Pflanze als Ganzes (+ ggf. Fotos) mit zum Tierarzt. Schreiben Sie sich auf, welche Mengen das Kaninchen genau gefressen hat, bzw. mit welcher Menge es Kontakt hatte, nehmen Sie diese mit (z.B. halbes Blatt, wenn die andere Hälfte gefressen wurde)
  3. Sollten Rückstände am Tier vorhanden sein, empfiehlt es sich, diese weg zu putzen, z.B. mit lauwarmen Wasser, damit durch Putzen nicht noch zusätzliche Mengen aufgenommen werden.
  4. Bei gefressenen Giften: Viel Grünfutter/Frischfutter auf der Fahrt anbieten, damit das Gift verdünnt wird
  5. ggf. Aktivkohle (1-3 g/kg Körpergewicht, je 1 g Kohle mit 5-10 ml Wasser verdünnen und in den Mund eingeben) und Infusionen (für erfahrene Halter, die damit vertraut sind) als erste Hilfe vor der Fahrt verabreichen (je nach Entfernung).
  6. Auch Lactulose kann bei einigen Vergiftungen als Erste Hilfe verabreicht werden.
  7. Auf schnellsten Weg einen Tierarzt (zu jeder Tag- und Nachtzeit) aufsuchen, jede Verzögerung kann über Leben oder Tod entscheiden.

Symptome: Wie zeigt sich eine Vergiftung?

  • Vermehrtes Speicheln, Schaum
  • Vermehrtes Trinken (Polydipsie) beim Kaninchen, das Kaninchen trinkt plötzlich sehr viel. Aber Achtung: Bei Nahrungsverweigerung neigen Kaninchen generell zu vermehrten Trinken!
  • Telnahmsloses Verhalten (Zurückgezogenheit)
  • Nahrungsverweigerung, schlechte Futteraufnahme
  • Durchfall oder Verstopfung
  • Blut im Urin (Hämaturie), Blutungen aus den Körperöffnungen, z.B. Nasenbluten
  • Fieber oder Untertemperatur
  • Pupillenveränderungen
  • Veränderter Herzschlag
  • Atemnot
  • Muskelzittern, Krampfanfälle, epileptische Anfälle
  • Lähmungserscheinungen
  • Benommenheit, Bewusstlosigkeit

Bei schleichenden, chronischen Vergiftungen kommt es zu anderen Symptomen wie z.B. Veränderungen im Blutcheck (z.B. Leber- und Nierenwerte), Abmagerung, teilnahmsloses Verhalten (Zurückgezogenheit), Haut- und Fellerkrankungen, Haarausfall, blasse oder bläuliche Schleimhäute (Zyanose), Fressunlust und Abmagerung.

Diagnose: Der Tierarzt macht sich einen Überblick

Der Tierarzt stellt Fragen zum Giftstoff und zur Aufnahme (welcher Giftstoff, wie wurde er aufgenommen, wie viel wurde aufgenommen, wann ist das passiert, wie häufig ist das passiert?) um die Vergiftung besser einschätzen und nötige Notfallmaßnahmen einleiten zu können.

Der Tierarzt leitet ggf. weiterführende Untersuchungen ein, vor allem eine genaue Untersuchung des Tieres, um andere Ursachen ausschließen zu können. Oftmals sind weiterführende Untersuchungen, z.B. Blutuntersuchungen oder neurologische Untersuchungen notwendig.

Ist ein Tier bereits verstorben, kann eine pathologische Untersuchung helfen, die Giftquelle oder andere Ursachen herauszufinden und so die anderen Tiere zu schützen.

Handelt es sich um eine Vergiftung, die rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte (z.B. Auslegen von Giftködern), müssen das verstorbene Tier und alle Beweise gesammelt und im Labor untersucht werden. Hat das Kaninchen überlebt, wird der Tierarzt einen Kollegen als Zeuge heranziehen und die Untersuchungen und Befunde genau dokumentieren. Zudem wird der Tierarzt beraten, wie die Proben entnommen werden müssen, damit sie später herangezogen werden können.

Therapie: Wie wird eine Vergiftung behandelt?

Die Giftdatenbank Zürich bietet für alle möglichen Giftstoffe umfangreiche Informationen (welche Mengen sind giftig, wie zeigt sich die Vergiftung, welche Behandlung ist sinnvoll…) und sollte zur Behandlung herangezogen werden.

Bei manchen Giftstoffen gibt es spezielle Gegenmittel (siehe weiter unten), die der Tierart verabreichen kann und die gezielt gegen den Giftstoff helfen (in der Giftdatenbank Zürich kann man diese nachschauen). Ansonsten werden die Kaninchen symptomatisch behandelt, d.h. je nach Symptomen und Giftwirkung wird das Tier unterstützt:

Atemprobleme
  • Die Atemwege werden frei gehalten und dafür ggf. auch gereinigt, Schleim wird aus dem Maul entfernt, eine Aufnahme in die Luftröhre (Aspirationspneumonie) verhindert
  • Sauerstoff, in Extremfällen kann auch eine künstliche Beatmung (Maske, Tubus) notwendig sein
Kreislauf-Probleme

Flüssigkeitszufuhr/Elektrolythaushalt um den Kreislauf zu stabilisieren: 50-100 ml Ringerlactat/kg Körpergewicht s.c. 1-2mal täglich; 20 ml/kg Körpergewicht als Bolus i.v., eventuell wiederholen, danach 80-100 ml/kg Körpergewicht/Tag i.v.

Zuckungen, Krämpfe 
  • Die Umgebung wird so gestaltet, dass es sich beim Krampfen nicht verletzen kann
  • Midazolam (0.5-2 mg/kg Körpergewicht i.m.)
  • Neuroleptika dürfen bei Vergiftungen nicht gegeben werden!
Nierenversagen 
  • Flüssigkeitszufuhr durch Infusionen (siehe Kreilauf)
  • Furosemid: 2-5 mg/kg Körpergewicht p.o., s.c. i.m., i.v., 1-2mal täglich, jedoch erst nach der Infusion

Dekontamination 

Wichtigste Maßnahme: Aktivkohle, wegen der Verstopfungsneigung beim Kaninchen am besten in Kombination mit Abführmitteln (z.B. Lactulose) – Carbo medicinalis, 1-3 g/kg Körpergewicht p.o., je 1 g Kohle in 5-10 ml Wasser aufschwämmen. Im Abstand von 6-8 Stunden wiederholt verabreichen. Achtung: Aktivkohle wirkt bei fast allen Giftstoffen, jedoch nicht bei Alkoholen, Cyaniden, Nitrit, Laugen und Säuren!

Aktivkohl kann jedoch auch die Wirkung von eingegebenen Medikamenten reduzieren oder ausschalten, d.h. die Medikamente müssen gespritzt werden.

Holzkohle, verbranntes Brot etc. ist wirkungslos!

Abführmittel

Um die Darmpassage anzuregen, damit der Giftstoff schneller ausgeschieden und weniger vom Körper aufgenommen wird.

  • Paraffinöl: Dosierungen gemäss Kleintierdosierung: 1-2 ml/kg Körpergewicht p.o. – nicht in Kombination mit Aktivkohle eingeben
  • Lactulose: 2 bis 3 ml/kg Körpergewicht 2- bis 3-mal täglich in den Mund eingeben.
Dekontamination von Haut und Fell 

Handschuhe und Schutzkleider benützen! Organische Lösungsmittel oder Petroleumdestillate dürfen nicht angewendet werden.

Augen, Schleimhäute: Mindestens 10 Minuten mit viel lauwarmem Wasser spülen.

Wasserlösliche Gifte, ätzende Verbindungen: Baden mit viel Leitungswasser (Körpertemperatur), mindestens 10 Min spülen, gut abtrocknen.

Fettlösliche Gifte: Baden mit Wasser (Körpertemperatur), alkalifreie Seife (wenn nötig dazwischen mit Speiseöl abwechselnd) verwenden, gut abspülen und abtrocknen. Scheren ist oftmals dem Waschen zu bevorzugen, da die Schutzfunktion der Haut nicht angegriffen wird.

Trockene Pulver: Mit Staubsauger absaugen oder ausbürsten

Schnelle Ausscheidung fördern

Furosemid: 2-5 mg/kg Körpergewicht p.o., s.c. i.m., i.v., 1-2mal täglich, jedoch erst nach der Infusion

Gegenmittel (Antidottherapie)

Nur selten ist ein spezifisches Antidot anwendbar! Beispiele:

GiftstoffGegenmittelDosierung Gegenmittel
BleiCaNa2EDTA27.5 mg/kg Körpergewicht, dabei je 10 mg in 1 ml NaCl verdünnen, s.c., 2-4mal täglich, 5 Tage lang, bei Bedarf wiederholen
Carbamate (oft enthalten in Insektiziden, Fungiziden und Herbiziden)Glycopyrrolat, AtropinsulfatAtropin: 10 mg/kg Körpergewicht s.c., alle 20 Minuten. 30-50% der Kaninchen besitzen ein Enzym (Atropinesterase), welches diese Wirkungen aufhebt. Deshalb ist bei dieser Spezies der Einsatz von Glycopyrrolat vorzuziehen
Vitamin D3 (Cholecalciferol)SalmcalcitoninKeine Dosierungen für Kaninchen vorhanden
NitritVitamin C, Methylenblau
Rattengift und feuchtes/schimmeliges Heu (Coumarinderivate)Vitamin K11-10 mg/kg Körpergewicht i.m., nach Bedarf.
KupferD-Penicillamin Keine Dosierungen für Kaninchen vorhanden
OrganophosphateGlycopyrrolat, AtropinsulfatAtropin: 10 mg/kg Körpergewicht s.c., alle 20 Minuten. 30-50% der Kaninchen besitzen ein Enzym (Atropinesterase), welches diese Wirkungen aufhebt. Deshalb ist bei dieser Spezies der Einsatz von Glycopyrrolat vorzuziehen
ZinkCaNa2EDTA27.5 mg/kg Körpergewicht, dabei je 10 mg in 1 ml NaCl verdünnen, s.c., 2-4mal täglich, 5 Tage lang, bei Bedarf wiederholen

Weitere symptomatische Massnahmen 

Metabolische Azidose 
  • Natriumbicarbonat: 2 mg/kg Körpergewicht i.p., i.v., bei Ketoazidose.
  • Wärmeregulation: Wärmen (Snuggle Safe, Wärmekissen etc.) oder Kühlen (kaltes Wasser an den Gliedmaßen, Ohren mit kalten Wasser kühlen)
Antibiotische Versorgung 

Bei Erosionen, Lungenödem, Aspiration etc.: Breitspektrumantibiotikum, z.B.

  • Enrofloxacin: 5-10 (-20) mg/kg Körpergewicht p.o., s,c., 1-2mal täglich
Schutz der Magendarmschleimhaut 
  • Sucralfat: 1 Messerspitze, 3-4x tägl.
  • Ranitidin: Kaninchen: 1 mg/kg Körpergewicht p.o.
  • Cimetidin: 5-10 mg/kg Körpergewicht p.o., i.m., alle 6-12 Stunden
Schmerzbehandlung 

Bei Schmerzen

  • Meloxicam: 0,5-1mg/kg Körpergewicht s.c., p.o., ein- bis zweimal täglich, nach 2-3 Tagen auf eine Minimaldosis reduzieren
  • Carprofen: 5mg/kg Körpergewicht p.o., 2mal täglich; 2-4 mg/kg Körpergewicht s.c., i.m., einmal täglich.
Leberschutz

Bei Giftstoffen, die die Leber betreffen

  • Mariendistel-Präparate
  • Vitamin B(-Infusionen) (Amynin)
Wie gefährlich Giftpflanzen für Kaninchen sind, ist abhängig von der Haltungform. Wie auch bei Katzen, sollten Giftpflanzen im Gehege oder in der Wohnung gesichert werden, im Gartenfreilauf mit großer Pflanzenvielfalt sind die meisten hingegen unbedenklich.

Warum vergiften sich Kaninchen?

Wildkaninchen können Pflanzen sehr gut selektieren/auswählen, indem sie einen Probebiss von der Pflanze nehmen, sie einschätzen und nur ungiftige Mengen verzehren (siehe hier). Auch unsere Hauskaninchen haben diese zum größten Teil angeborene Fähigkeit, können sie durch verschiedene Umgebungsbedingungen jedoch oftmals nicht perfekt ausüben:

  • Nahrungsknappheit: Hat das Kaninchen nicht die Wahl, da fast nur Giftpflanzen zur Verfügung stehen, so frisst es ggf. auch Giftpflanzen  (Fressen aus Heiß-Hunger oder Langeweile). Zum Beispiel wenn Kaninchen in einem Gehege ohne Frischfutter mit Eibenzweigen gefüttert werden.
  • Verarbeitete Nahrung: Durch Erhitzung, Trocknung und andere Verfahren, verändert sich der Geruch, Geschmack und die Konsistenz des Futters, so dass die Selektion sehr stark erschwert wird. Beispielsweise wenn Herbstzeitlose im Heu verfüttert wird, im Gegensatz zur frischen Pflanze, schmeckt und riecht sie anders und wird so ggf. einfach mit gefressen.
  • Künstliche Zusätze: Künstliche Aromen und Geschmacksverstärker in handelsüblichen Trockenfuttern können das Selektionsvermögen extrem erschweren oder verhindern.
  • Beengte Haltung: Kaninchen sind sehr intelligente Tiere, durch Haltungsfehler werden sie jedoch häufig in Ställe oder Käfige gesperrt (z.B. nachts, da man davon ausgeht, dass sie nachts schlafen, obwohl ihre Aktivitätsphasen vor allem nachts liegen). Durch Langeweile und fehlende Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, fressen Kaninchen ggf. auch ungeeignete oder giftige Pflanzen.
  • Fehlende Gewöhnung: Wird ein Kaninchen mit Pellets und Heu ernährt, muss es erst an eine Pflanzenvielfalt gewöhnt werden, um die angeborenen Instinkte nutzen zu können.

Quellen u.a.:

Giftdatenbank Zürich www.clinitox.ch
Löscher, W. et al. (2016): Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin, Enke Verlag
Ewringmann, A. (2016): Leitsymptome beim Kaninchen. Enke Verlag
Gabrisch, K.; Zwart, P. (2014): Krankheiten der Heimtiere. Schlütersche