Ist Jakobskreuzkraut für Kaninchen giftig?
Wie gefährlich ist Jakobskreuzkraut für Zwergkaninchen und Hauskaninchen? Kann man es verfüttern?
Das Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea; Syn.: Jacobaea vulgaris Gaertn.), das auch als Jakobsgreiskraut bezeichnet wird, sorgt bei Tierhaltern seit einiger Zeit für große Angst, da es für die Vergiftung von vielen Tieren verantwortlich gemacht wird. So kann u.a. 40 bis 80 Gramm (je Kg Körpergewicht) der Pflanze bereits beim Pferd zum Tode führen. Das Tückische an dieser Giftpflanze ist, dass das enthaltene Gift (Pyrrolizidinalkaloide), sich auf Dauer immer mehr in der Leber anreichern kann und auch die Trocknung des Krautes es nicht unschädlich macht. Der Stoff ist auch in weiteren Pflanzen enthalten, z.B. in der Acker-Ochsenzunge.
Deshalb machen sich viele Kaninchenhalter Sorgen, dass sie die Pflanze beim Pflücken auf der Wiese aus versehen erwischen könnten. Besonders auch, weil sie vor der Blüte oft nicht erkannt wird.
Glücklicherweise gibt es über das Jakobskreuzkraut einige wissenschaftliche Studien, durch die wir die Lage besser einschätzen können.
In einer Studie wurden Kaninchen 263 Tage (fast 7 Monate) mit Jakobskreuzkraut als Alleinfutter ernährt. Sie nahmen dabei täglich im Durchschnitt mehr als ihr Körpergewicht (112,5%/Tag) vom Greiskraut auf. Keines der Kaninchen verstarb dadurch, alle waren auch nach dieser langen einseitigen Ernährung mit Jakobskreuzkraut gesund. Nach dem Versuch wurde die Leber der Kaninchen untersucht. Es wurden mikroskopische Veränderungen festgestellt. Damit ist das Kaninchen sehr viel resistenter als Pferde oder Kühe.
Natürlich sollte keine einseitige Ernährung mit nur einer Pflanze durchgeführt werden, im Gemisch ist Jakobskreuzkraut jedoch durchaus verträglich für Kaninchen und wird in der Natur gerne gefressen.
Man geht inzwischen davon aus, dass die Verbreitung des Jakobskreuzkrautes auch mit dem Rückgang der Wildkaninchen-Populationen im Zusammenhang steht. Wenn ein Landstrich nicht von Kaninchen beseidelt wird, breitet es sich ungehindert aus. Das Wildkaninchen ist sozusagen ein natürlicher Feind des Kreukrautes und dezimiert es. Somit ist Jakobskreuzkraut für Kaninchen nicht giftig und kann gelegentlich mit im Pflanzengemisch gefüttert werden.
Ebenfalls getestet wurde, ob die Kaninchen auf das Gift reagieren, wenn man es direkt spritzt. Dabei wurde 150 mg des Pyrrolizidinalkaloids je kg Körpergewicht injiziert. Die Versuchskaninchen verstarben daraufhin nach nicht eimal 24 Stunden.
In einer weiteren Studie wurde herausgefunden, dass auch Rennmäuse, Hamster und Meerschweinchen Jakobskreuzkraut ähnlich gut vertragen und auch bei große Mengen nicht erkranken oder versterben.
Wie kann das sein?
Was viele Halter nicht wissen: Es gibt keine „Giftpflanzen“ an sich, es ist fast jeder Stoff ab einer gewissen Menge giftig. Bei einigen Stoffen ist die Menge so hoch, dass sie kaum gefressen werden kann, bei anderen reichen kleine Mengen. Dies erkannte schon Paracelsus, sein Spruch ist bis heute bekannt:
Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist.
Philippus Theophrastus Paracelsus
Die Dosis, die auf de Organismus tödlich wirkt, hängt sehr stark von der Tierart ab. So bekommen beispielsweise Kaninchen schwere Leberschäden, wenn sie täglich tierisches Protein (z.B. Fleisch) fressen. Eine Katze hingegen braucht täglich Fleisch zum Überleben. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass das Pflanzenfresser Kaninchen, das sehr stark auf Wildkräuter spezialisiert sind, die enthaltenen Pflanzenstoffe bestens vertragen und sogar brauchen. Die gleichen Stoffe können bei einem Menschenkind oder Hund starke Gesundheitsprobleme verursachen oder sogar zum Tode führen. Würde man ein Kleinkind mit Heu und Löwenzahn ernähren, bekommt es schere Verdauungsstörungen und magert ab. Die gleiche Ernährung führt beim Kaninchen zu keinen Gesundheitsproblemen.
Langzeitschäden der Leber?
Viele Halter fürchten sich vor Langzeitschäden der Leber, also vor der Hepatotoxizität des Jakobkreuzkrautes. Dabei kommt immer wieder das Argument, dass sich die Gifte lebenslang in der Leber ansammeln würden und eines Tages ist es dann so viel Gift, dass das Kaninchen verstirbt oder großen Schaden nimmt.
Das stimmt so nicht. Die Stoffe bauen sich zwar langsam in der Leber ab, trotzdem ist die Leber sehr regenerationsfähig und die Pyrrolizidinalkaloide werden selbstverstädlich dort nicht lebenslang eingelagert sondern brauchen einfach etwas länger, bis sie abgebaut sind. Nicht nur Pyrrolizidinalkaloide bauen sich über die Leber etwas langsamer ab und sind deshalb lebertoxisch“, auch viele andere Stoffe. Viele Medikamente haben die gleichen Eigenschaften, dadurch wirken sie langanhaltender als andere Medikamente. Trotzdem bauen sie sich natürlich mit der Zeit ab, ansonsten würde die Wirkung der Medikamente (einmal eingenommen) ein Leben lang anhalten. Lebertoxisch sind z.B. auch Wurmkuren, Impfungen, Antibiotika, Schmerzmittel und viele mehr. Ebenfalls lebertoxisch ist Phosphor. Dieser ist für Mensch, Pflanze und Tier überlebenswichtig, wird jedoch ähnlich abgebaut. Bei einer abwechslungsreichen vielfältigen Ernährung sind Pyrrolizidinalkaloide jedoch kein Problem. Gelegentlich verfüttert schaden sie weder der Leber, noch sammeln sie sich lebenslang in der Leber an. Zudem ist die Kaninchenleber im Vergleich zu anderen Tieren äußerst unempfindlich gegenüber den Alkaloiden.
„Es gibt doch genug Anderes, man muss doch nicht Soetwas verfüttern!“
Warum sollte man einem auf Pflanzenstoffe spezialisierten Pflanzenfresser seine natürliche Nahrung entziehen, nur weil diese Pflanze für andere Tiere nicht geeignet ist? Viele Dinge, die in hohen Dosen oder für andere Tierarten giftig sind, haben in geringeren Mengen einen sehr wichtigen Nutzen für die Gesundheit. Es ist auch beispielsweise möglich, einen Menschen mit 5 Litern Wasser an einem Tag umzubringen. Weniger davon sind jedoch überlebenswichtig. Ganz ohne Wasser verdurstet der Mensch und kann versterben. Anstatt die Pflanzen in „gut und böse“ einzuteilen wäre es doch viel wichtiger, dem Kaninchen eine große Artenvielfalt anzubieten, die es gesund halten. Dazu gehören auch geringe Mengen Jakobskreuzkraut ud es braucht sicherlich keiner in Panik zu verfallen, weil er aus versehen eine Pflanze mit verfüttert hat.
Mehr Infos zu Kaninchen und Pflanzenstoffen
Cheeke, P. R., and M. L. Pierson-Goeger (1983): „Toxicity of Senecio jacobaea and pyrrolizidine alkaloids in various laboratory animals and avian species.“ Toxicology letters 18.3: 343-349.
Pierson, M. L., P. R. Cheeke, and E. O. Dickinson (1977): „Resistance of the rabbit to dietary pyrrolizidine (Senecio) alkaloid.“ Research communications in chemical pathology and pharmacology 16.3 561-564.
Hallo & guten Morgen, wir werden in Kürze junge Zwergkaninchen bekommen, und ich frage mich, ob es zwischenzeitlich (Beitrag ist ja von Mai 2015) neue Erkenntnisse gibt bzgl. Giftigkeit von Jakobs-Kreuzkraut für Kaninchen? Oder bleibt der Stand der relativen Ungiftigkeit? – Danke für die schöne Seite und die vielen tollen Infos!
Hallo Bob,
Kaninchen scheinen einen Mechanismus zu haben, die Giftstoffe um die Verdauung schleusen zu können, um sie dann auszuscheiden. Obwohl ich es als Futterpflanze nicht empfehlen würde, ist Jakobskreuzkraut wirklich ungefährlich für Kaninchen. Immer mehr Veröffentlichungen sprechen dafür. Das ist aber nicht bei Menschen und anderen Tieren der Fall. Bei Pferden und kleinen Kindern sollte man also immer ein Auge drauf haben.
Liebe Grüße,
Kathinka vom Kaninchenwiese-team
Was mich an der zitierten Studie irritiert, ist die Menge des verfütterten Jakobskreuzkraut. Danach müsste ein 3kg Kaninchen 3kg Jakobskreuzkraut gefressen haben ? Soviel fressen Kaninchen doch gar nicht ? Oder verstehe ich das falsch ?
Hallo Nur Schotti,
ja, genau! Die hier angesprochenen Studien beinhalten Tierversuche, in dem Kaninchen präpariertes Futter bekamen. Das ist also nicht als artgerecht oder empfehlenswert zu werten, es soll nur zeigen, dass Kaninchen keine direkten Vergiftungserscheinungen erleiden.
Liebe Grüße,
Kathinka vom Kaninchenwiese-Team